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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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dichtete eine qualmende Stelle ab und trat dann direkt vor Hanna. Er stieß seine Schaufel in die Erde und faltete seine Hände über dem Stiel. In seinen Augen blitzte der Schalk.
    «Weißt du, du bist am hübschesten, wenn du böse bist. Das hab ich auch dem Müller gesteckt.»
    «Welchem Müller? Was soll das heißen?»
    «Dem Jobst Gessler. Von der Herrenmühle.»
    Arndt klang bemüht arglos, aber Hanna verstand sehr wohl, worauf er anspielte. Obwohl er jünger war als sie, glaubte er seit diesem Sommer, den großen Bruder spielen zu müssen. Doch sie hatte keine Lust, sich jetzt auchnoch darüber zu streiten. Sollte Arndt ruhig glauben, er könne sie an den blatternarbigen Müller verschachern wie einen Sack Holzkohle an den Hufschmied. Sie würde ihm noch beizeiten den Kopf waschen. Schließlich war sie nicht seine Leibeigene, ganz davon abgesehen, dass das Oberhaupt der Familie immer noch ihr Vater Tilman war.
    Ohne auf Arndts versöhnliche Rufe zu achten, lief sie um den Meiler herum und auf die Lichtung zu. Als sei nichts gewesen, breitete sie die Arme aus, drehte sich nach ein paar Schritten einmal um sich selbst und tat, als wäre es ihr das Wichtigste, so viel wie möglich von der Morgensonne einzufangen.
    Ob sie wohl wieder zu mir spricht?
    Hanna eilte auf die alte Eiche zu. Diese mochte an die fünfhundert Jahre alt sein. In ihrem Schattenfeld, unter ihrer Krone zu stehen, ihren Stamm zu berühren, hatte etwas Unerklärbares an sich. Etwas Mystisches. Selbst Arndt hatte das einmal zugegeben.
    Hanna schloss die Augen und holte tief Luft. Soll ich den Stamm umarmen?
    Antwort bekam sie vom Kuckuck, aber auch von Eichelhähern, Elstern und Krähen. Ein Rudel Rehe sprang über die Lichtung. Die Eichenkrone über ihr rauschte bedrohlich. Ihre Äste knarzten, als böge eine fremde Kraft sie zur Seite.
    Für die Dauer eines Lidschlags hatte Hanna das Gefühl, ihr würde schwindelig und der Boden löse sich von ihren Füßen. Du hast nicht gefrühstückt, beruhigte sie sich. Sich über den Bruder zu ärgern, macht nicht satt.
    Da bebte die Erde ein zweites Mal. Die Eiche stöhnte auf, und in ihrer Krone krachte es. Hanna fuhr zusammen. Aber es war nur ein großer toter Ast, der dumpf auf die Erde schlug.
    Dann war alles vorbei.

2
    Einen Tag später, die Sonne wärmte bereits, ritten zwei Männer, von Rothenburg kommend, auf den Wald zu.
    Kann es Schöneres geben, als durch einen Herbstwald zu reiten?, fragte sich Ulrich von Detwang. Zumal bei solch goldenem Oktoberwetter?
    Ulrich schaute sich nach dem Obstbaumpelzer um, der auf seiner Fuchsstute eingeschlafen zu sein schien, so gemächlich wie sie dahintrottete. Dieser Krämer, dachte er spöttisch. Nur weil’s nicht sofort um Geld geht, tut er’s den Siebenschläfern gleich. Verärgert setzte er seinem Rappen die Sporen. Sand und Gras wirbelten unter dessen Hufen hervor, vertrocknete Eicheln flogen durch die Luft. Mühelos nahm er den Anstieg zum Wachsenberg. Ulrich freute sich über die Kraft seines Hengstes, den er erst vor kurzem frisch hatte beschlagen lassen. Sein Ärger verflog. Er zügelte sein Pferd, drehte sich um und wartete, bis der Baumpelzer auf Rufweite aufgeschlossen hatte.
    «Warum immer so langsam?», stichelte er. «Meint Ihr, weil Ihr Obstreiser aufpfropft, muss unsereins genauso langsam vorankommen wie ein ungenügend gegossener Baum?»
    «Und Ihr, Ritter? Wozu so schnell? Der Tag ist noch jung. Hättet Ihr so ein Weib zu Hause wie ich, würdet Ihr auch jedes Stündchen genießen.»
    Ulrich lachte und zupfte sich seinen bestickten Mantel zurecht. Das schwarze Prankenkreuz auf weißem Grund wies ihn als Ritter des Deutschen Ordens aus, mehr noch: Ulrich von Detwang war im Gespräch, der neue Komtur oder Statthalter des Ordens in der freien Reichsstadt Rothenburg zu werden. Damit wäre er der Herrscher übereinhundert Familien, die innerhalb des Rothenburger Territoriums lebten, und hätte sogar das Recht der Hochgerichtsbarkeit inne, mithin die Entscheidungsgewalt über Leben und Tod. Damit versuchte ihn zumindest der Mergentheimer Landkomtur Wolfgang von Bibra zu locken. Ulrich aber zögerte. Mit seinen fünfundzwanzig Jahren fühlte er sich noch nicht reif, eine solche Bürde auf sich zu nehmen. Ihm lag nichts an Macht, und in diesen Zeiten schon gar nicht. Denn seit Jahrzehnten standen die Rothenburger Komture mit der Stadtregierung in einer gespannten Beziehung, sie waren sich spinnefeind.
    Der Baumpelzer stieg vom Pferd und schaute
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