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Das Gesicht des Teufels

Das Gesicht des Teufels

Titel: Das Gesicht des Teufels
Autoren: Kay Cordes
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der Feuerpatsche auszuschlagen. Umsonst. Schneller als er und Hanna schauen konnten, entzündeten sich nun am Waldrand die Ginsterbüsche. Gierig griffen die Flammen in das spröde Gesträuch und schlugen mit jedem neu eroberten Zweig höher aus. Nach einer Weile züngelten sie weiter ins nahe Unterholz, kurz darauf brannte die erste Baumkrone.
    Der Rauch wurde dichter, bauschte sich zu graublauen Wolken. Ein leichter Wind trieb sie über die Lichtung in den Wald und nebelte ihn ein.
    «Arndt! Vater ist tot!»
    Er fuchtelte mit den Armen.
    «Es hilft nichts! Das Feuer, Hanna! Hilf mit!»
    Hanna suchte nach der zweiten Feuerpatsche und eilte zu Arndt zurück. Doch es war längst zu spät. Fassungslos starrten sie auf die stetig größer werdenden brennenden Flächen. Das Feuer fraß sich tiefer ins Unterholz, leckte gierig an Stämmen und griff auf Äste und Laub über. Das Zischen und Fauchen wurde von Atemzug zu Atemzug immer lauter. Hanna bildete sich ein, die Flammen schrien vor Hunger. Es war schlimmer als in einem Albtraum.
    «Der rote Hahn, Hanna   … der Teufel! Dafür wird man uns hängen oder auf den Scheiterhaufen werfen», brüllte Arndt.
    «Nein, das Beben ist schuld. Das weiß doch jeder!», schrie Hanna zurück.
    Arndt schüttelte den Kopf. «Nein, wenn’s um einen Sündenbock geht   …» Hilflos sahen sie mit an, wie die Feuersbrunst an Stärke gewann und sich Baum um Baum einverleibte. «Es ist die Hölle! Wir kommen noch um! Nichts können wir tun, nichts.»
    «Doch! Erst einmal müssen wir Vater aus den Trümmern befreien.» Hanna packte Arndt am Arm und riss ihn mit sich in die Hütte. Wegen des eingestürzten Dachs waren sie jetzt dem heißen Luftsog ausgeliefert, der zwischen die Wände fuhr und Sand und Lehmstaub aufwirbelte. Hanna presste ihre Lippen aufeinander, kniff die Augen zu. Doch es war seltsam: Als sie den Firstbalken berührten, packte sie eine seltsame Scheu. Vorsichtig hoben sie das schwere Holz an. Mit einem leisen Geräusch quoll Hirnmasse aus Tilmans zersplittertem Schädel.
    Arndt schlug die Hände vors Gesicht, Hanna aber konnte nur schreien. Einen Augenblick später wankte sie zu ihrer Truhe und zerrte ein leinenes Tuch heraus. Sie kniete neben ihrem Vater nieder, schlang behutsam das Tuch um seinen Kopf und zurrte es fest am Hinterkopf zusammen. Sie gab Arndt ein Zeichen, worauf sie ihren toten Vater anhoben und ihn wortlos auf seine Schlafstatt betteten.
    Arndt hustete. «Ich möchte, dass wir ihn schnell begraben, Hanna. Marie soll das nicht sehen.»
    «Arndt, er ist auch Maries Vater! Soll sie keinen Abschied von ihm nehmen? Ein, zwei Nächte müssen wir es aushalten. Damit wir in Ruhe für ihn beten können.»
    «Ja, ich glaube, jetzt hast du recht.»
    Betroffen schauten sie auf den Toten nieder. Da durchfuhr Hanna plötzlich ein siedend heißer Schreck: «Um Himmels willen, Arndt! Wo ist Marie?»
     
    Ulrichs Rappe bockte und schnaubte bestimmt schon seit einer Stunde, trotzdem war es Ulrich gelungen, ihn tief in den Wald zu treiben. Er war wie am Vortag mit dem Baumpelzer zum Wachsenberg aufgebrochen, um das Areal zu kennzeichnen, das gerodet werden sollte. Dabei sah er den Rauch über den Baumwipfeln und ahnte, was das Beben womöglich ausgelöst hatte.
    Nehmen wir an, begann er zu überlegen, das Feuer breitet sich großflächig aus: Dies wäre insofern von Vorteil, weil wir etliches an Holzfällerkosten einsparen würden. Voraussetzung aber dafür ist, es brennt wirklich mehr ab als nur der Wald um die Köhlerei herum. Denn die gehört nicht uns, sondern der Stadt. Andererseits, wenn man den vernichteten Holzwert berücksichtigt   … Ulrich begann zu überschlagen, mit welchen Summen in den jeweiligen Fällen zu rechnen wäre, da blieb sein Rappe plötzlich stehen und stellte sich auf die Hinterbeine.
    Es knackte im Unterholz, kurz drauf stürzte ein Rudel Schwarzwild vorbei.
    «Mahut, du stures Stück, stell dich nicht so an. Nur weil Sauen fliehen, musst du nicht gleich bocken!» Ulrich trat ihm in die Flanken, aber sein Hengst drehte sich nur noch im Kreis. Dabei stieg er so hoch, dass er seinen Reiter fast abgeworfen hätte. Er hatte bereits Schaum vorm Maul, und seine Augen waren vor Angst so weit hervorgetreten, dass das Weiße zu sehen war. Ulrich stieß einen Fluch aus und stieg ab. «Aber umgekehrt, Bursche, wird auch nicht», murmelte er und schaute der weißen Rauchwand entgegen, die ein halbes Dutzend Pferdelängen vor ihm Bäume und Äste
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