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Verplappert

Verplappert

Titel: Verplappert
Autoren: Alison Grey
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Verplappert
    Ächzend ließ ich mich auf meine Exarby-Bettcouch von IKEA fallen. Mein Blick durchstreifte das vor mir liegende Chaos: offene, halb leere Umzugskartons, zwei Bücherregale, in denen schon ein paar meiner Lieblingsschmöker standen, und lieblos auf den Boden geklatschte Vorhänge und Decken. Mein altes Zimmer im Haus meiner Eltern war kleiner gewesen als diese Einzimmerwohnung, die ich jetzt stolz Zuhause nannte. Und trotzdem schien hier alles viel vollgestopfter. Ach, erst mal abwarten, bis der ganze Kram eingeräumt ist.
    Ein leises Fluchen kam vom anderen Ende des Zimmers. Typisch Jörg.
    Mein pubertierender, kleiner Bruder hatte meinem Eckschreibtisch von der Wand weggerückt und kramte nun an der Computer-Verkabelung herum.
    »Alles okay?«, fragte ich, während ich den Kopf in seine Richtung streckte, als ob ich so das Problem sehen könnte.
    »Ich hab das beschissene Netzteil zu Hause vergessen«, motzte Jörg und kroch hinter dem Schreibtisch samt Kabelsalat hervor.
    »Braucht man das denn unbedingt?« Ein Kabel mehr oder weniger konnte bei diesem ganzen Gedöns doch nicht so wichtig sein, oder?
    Jörg ließ sich neben mir auf die Couch fallen.
    Ein Knacken verriet mir, dass Leiste Nummer vier des Lattenrostes sich soeben verabschiedet hatte. Ich hätte echt Geld in eine neue Bettcouch investieren sollen.
    Jörg schien unbeeindruckt oder unwissend bezüglich der Leiste, denn er reagierte nicht auf das Geräusch. Stattdessen rollte er mit den Augen und sagte: »Wenn dein PC ohne Strom arbeitet, brauchst duʼs nicht. Falls doch«, er zeigte mit dem Daumen zum Balkon, unter dem der Parkplatz lag, »musst du mich noch mal rüberfahren.«
    Ich ballte die linke Hand zur Faust und schlug damit auf Jörgs Schulter ein.
    Er rieb sich die Stelle, als ob ich ihn fast k.o. geschlagen hätte. »Hey, soll ich dir helfen oder nicht?«
    »Du hast gesagt, wir haben alles, was wir brauchen«, grummelte ich. Ich hatte zugesagt, während seiner Klassenfahrt seinen verhaltensgestörten Papagei zu babysitten. Dafür konnte ich ja wohl erwarten, dass er beim Helfen mit dem Umzug wenigstens an die elementarsten Dinge dachte.
    »Shit happens. Außerdem war es doch deine Idee, auszuziehen. Was kann ich denn dafür, dass du nicht alles gepackt hast?«
    Ich sprang auf und stapfte zwischen den Kartons hin und her. Während ich mir mit einer Hand durch mein kurzes Haar fuhr, rief ich: »Du warst für den Elektronik-Mist zuständig. Und sag mir nicht, du hast was dagegen, jetzt das große Zimmer zu kriegen. Nur weil Mama und Papa nicht beim Umzug helfen wollten, heißt das nicht …«
    Jörg winkte ab. »Halt die Klappe. Wenn du zu Tante Else gezogen wärst, wie Papa wollte, hätten sie dir auch geholfen und nichts von all dem hier wär passiert.«
    Mein Kopf fühlte sich an wie ein Dampfkessel ohne Ventilöffnung. »Tante Else ist achtundsiebzig und hat mehr Haare auf den Zähnen als auf dem Kopf«, schrie ich.
    »Aber es hätte dich nichts gekostet, bei ihr zu wohnen.«
    »Ich will studieren und nicht Mama und Papa die Kosten für die scheiß Pflegekraft sparen.«
    »Du stellst dich echt an«, sagte Jörg mit immer noch ruhiger Stimme.
    Ich starrte ihn an. Hätten Blicke töten können, wäre ich in dieser Sekunde Einzelkind geworden. »Wenn du davon so begeistert bist«, ich stürmte an ihm vorbei zur Tür, wirbelte dann jedoch noch mal herum, »dann zieh du doch bei Tante Else ein. Übernächstes Jahr bist du schließlich auch fertig mit der Schule und willst zur Uni.« Ich schnappte meine Jacke, die auf einem der Kartons lag. »Lass uns fahren. Ich will zurück sein, bevor es dunkel wird.«
    Jörg raffte sich auf und trottete in meine Richtung. »Hab schon beschlossen, dass ich ʼne Ausbildung mache.«
    * * *
    Vorsichtig stellte Jörg den übergroßen Vogelkäfig auf meinem Esstisch neben der Pantryküche ab.
    Ich knallte das Kabel, für das wir gerade quer durch die Stadt gefahren waren, daneben.
    »Lesbe«, krächzte Frodo.
    Jörg kicherte.
    Zähneknirschend zischte ich: »Ich dachte, du hast diesem nichtsnutzigen Federvieh das wieder abgewöhnt.«
    »Lesbe.«
    Ich wirbelte zu Frodo herum. »Halt den Schnabel.«
    »Keine Ahnung, wo er das her hat«, sagte Jörg grinsend. »Schätze, er hat dich mit Tina gesehen.«
    »Du bist echt eine Zumutung, weißt du das?« Ich holte tief Luft. »Mit Tina ist schon seit Februar Schluss und Frodo hat sie bloß ein einziges Mal gesehen. Und mal abgesehen davon kannst du mir ja wohl
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