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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis
Autoren: Pearl S. Buck
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wandte sie sich an die andern und sagte: »Kommt. Zeigt keine Furcht. Laßt uns miteinander gehen, als wäre alles in schönster Ordnung.«
    Ob es ihre Ruhe oder ob es ihre Stimme war, die eine unbekannte Sprache hören ließ, oder ob es gar die drei Gewehre waren, welche die Männer hatten, die Leute machten ihnen Platz, doch schlossen sie sich ihnen dicht an, als sie dahingingen.
    Während dies sich zutrug, hatte Sheng und seine Gefährten die Stadt von der anderen Seite betreten; sie kamen die gleiche Straße daher, gewahrten die Menschenansammlung und blieben stehen.
    »Sind es Feinde?« erkundigte sich Sheng bei Charlie, denn die Menge zählte viele Köpfe, und von überallher gesellten sich Menschen dazu.
    »Wir wollen auf einer Straßenseite zurückgehen und einen Bogen machen«, schlug Charlie vor. »Besser verlassen wir die Stadt auf einem Umweg und vermeiden auf diese Weise den Auflauf, welcher Art er auch sein mag.«
    Dies taten sie, und nach wenigen Minuten waren sie dem Tor näher als die andern. Sie schritten hindurch und befanden sich auf der andern Seite. In diesem Augenblick hörten sie eine Stimme auf englisch rufen: »Laßt uns auf und davon laufen!«
    »Verdammt will ich sein«, sagte der Engländer, der mit Sheng ging, als er diese Stimme vernahm; er blieb stehen, und sie blieben alle stehen und blickten zurück. Da sahen sie die drei Engländer, die einige Frauen an der Hand gefaßt hielten und auf sie zuliefen, gefolgt von einer brüllenden, grölenden Menschenmenge, die jetzt voll Angriffslust war. Sheng und seine Begleiter waren gerade im Begriff gewesen, die Straße zu überqueren; jetzt feuerten sie ihre Gewehre genau über die Köpfe der Flüchtenden und der Menge ab. Beim Knall der Schüsse ließen die drei Engländer die Hände der Frauen los, drehten sich um und schossen ebenfalls über die Köpfe der Menge weg, und bei diesem Feuer hielten die Leute inne. Keiner von ihnen hatte ein Gewehr, und wie konnten sie gegen solche Waffen an?
    Wären sie härter und verbissener gewesen, so hätten sie sich nicht zurückschrecken lassen. Aber diese Menschen waren nur ausgelassen und ungestüm wie Kinder; es fehlte ihnen an Mut und Verwegenheit; sie zogen es vor, ihre Opfer laufenzulassen, als sich in Todesgefahr zu begeben; so drehten sie um und gingen in ihre Stadt zurück, lachend und frohgemut, als hätten sie einen Sieg erfochten.
    Jetzt erst fanden Sheng und Mayli Muße, einander zu sehen, und eine ganze Weile standen beide da und starrten sich an, und dann vergaß Mayli alle Sittsamkeit und lief auf ihn zu, Pansiao ihr auf den Fersen.
    »Sheng!« schrie sie. »Du bist’s! Und dein Arm – ist er geheilt?«
    »Bruder!« rief Pansiao. »Bruder, wie kommst du hierher?«
    Sheng aber wurde, sobald er Mayli erblickte und sah, in welcher Gesellschaft sie sich befand, von den Qualen der Eifersucht erfaßt. Wer waren diese weißen Männer, mit denen Mayli durchs Land zog? Und er erinnerte sich in jähem, scharfem Schmerz, wie leicht sie mit weißen Menschen sprach, wie nahe sie solchen Fremden war, und er fühlte die alte Mauer der Verschiedenheit zwischen sich und Mayli. Er stand still; er sah sehr kalt aus und setzte ein falsches Lächeln auf, während er sagte: »Treffen wir uns wieder? Ich sehe, daß du mit Fremden zusammen bist. Was meinen Arm betrifft, so ist er gesund genug, daß ich damit kämpfen kann.«
    Darauf blieb Mayli ebenfalls stehen. Solch eine Torheit vermochte sie nicht zu fassen. Sie stampfte mit dem Fuß in den Staub der rauhen Straße und rief Sheng zu: »Was meinst du, Sheng? Was geht in deinem Kopf vor? Wie kannst du so zu mir sprechen?«
    Pansiao aber trat zu ihm, legte ihm die Hand auf den Arm und sagte: »Bruder, da du jetzt hier bist, können wir uns von diesen Fremden trennen.«
    »Ich bin nicht sicher, daß ihr euch von ihnen trennen wollt«, gab Sheng zurück, die großen Augen noch immer voll Zorn auf Mayli geheftet.
    Mayli war sehr erhitzt und müde; wie müde sie sich fühlte, das merkte sie erst, als der Aufruhr des Pöbels vorbei war, und plötzlich spürte sie das Verlangen, sich vor lauter Müdigkeit auf die Straße zu legen, wo sie gerade stand, und zu sterben. Ihre Lippen begannen zu zittern, und Charlie, der dies sah, sagte zu Sheng: »Großer Bruder, darfst du so zornig sein, wenn wir soeben einer großen Gefahr entronnen sind?« Während er sprach, glitten seine Augen seitwärts zu Pansiao, und auch sie blickte ihn von der Seite an, obwohl aus
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