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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis
Autoren: Pearl S. Buck
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Häusern. Keiner forderte die chinesischen Frauen auf, ins Haus zu gehen, und so legten sie sich mit den Engländern auf der Windseite des Feuers auf Zweigen nieder, die sie von den Bäumen abbrachen. Und sie schliefen so gut, als lägen sie im Bett, denn sie waren gesättigt, und der Rauch vertrieb die Insekten.
    In diesem Dorf blieben sie, bis sie gewaschen und ausgeruht waren, im ganzen drei Tage, und alle versuchten, den Urwaldbewohnern so gut wie möglich zu helfen. Mayli benutzte ihre Geschicklichkeit, um die eiternden Schwären der Leute zu heilen, und dies trug ihr viel Dank ein. Sie hatte keine Medikamente, aber sie kochte Wasser ab und wusch die Geschwüre aus; dann betupfte sie sie mit einem Wein, der aus gegorenem gekochtem Reis hergestellt wurde; durch Gebärden bedeutete sie denen, die eiternde Wunden hatten, sie mit gekochtem Wasser auszuwaschen und sie dann mit dem Wein zu betupfen, sie außerdem täglich der Sonne auszusetzen; und sie konnte sogar in den drei Tagen den Beginn der Heilung beobachten. Freilich, da brachten die Mütter ihre kranken Kinder zu Mayli, und ein alter Mann wies auf seine Brust und ließ ein hohles Husten hören, um ihr zu zeigen, wo es ihm fehlte, aber alle vermochte sie nicht zu heilen. Doch schon vor Ablauf der drei Tage begann Mayli ängstlich bestrebt zu werden, den Ort zu verlassen, denn zwei der Weißen konnten sich nicht in Schranken halten, sondern mußten sich benehmen, als ob sie die Herren des Dorfes wären. Einer fing an, ein hübsches Mädchen zu verfolgen, worüber Mayli erschrak, und sie ging zu dem Großen.
    »Sie müssen Ihrem Kameraden sagen, daß er sich von dem Mädchen fernhalten soll«, warnte sie ihn. »Die Leute hier werden das nicht zulassen.«
    »Ich werde es ihm sagen«, gelobte er.
    Aber welchen Wert hat ein Gelöbnis? Sie sah, daß die Weißen, ohne eine böse Absicht zu hegen, gleichwohl die Dorfbewohner mit hunderterlei Kleinigkeiten aufbrachten. Sie glaubten nicht, daß solch kleine braune Geschöpfe ebenso Menschen wie sie waren, und dies merkten die braunen Menschen sehr bald und wurden verdrossen, so daß Mayli am Morgen des dritten Tages zu dem großen Engländer sagte: »Es ist Zeit, daß wir gehen. Sonst kommt es noch zu Unannehmlichkeiten zwischen den Leuten und uns.«
    »Es sind heißblütige Wichte«, entgegnete er. »Das rührt sicher von ihrer gepfefferten Nahrung her. Sie essen zuviel davon.«
    Darauf verlor sie ein wenig die Geduld. »Sie behandeln die Dorfbewohner als Diener«, warf sie ihm vor. »Sie vergessen, daß wir nur Gäste sind.«
    Mit sehr kalter Stimme gab er zurück: »Schließlich gehört Burma uns, denken Sie daran.«
    Sie lachte laut. »Werdet Ihr denn nie begreifen, daß ihr geschlagen seid?« rief sie.
    Plötzlich erinnerte sie sich an alles, was Sheng gegen die Weißen vorgebracht hatte, und in diesem Augenblick war sie einer Meinung mit ihm. Zornig fuhr sie fort. »Wieso verstehen Sie nicht einmal jetzt, daß unser Leben von diesem Volk abhängt? Seid ihr denn durch nichts zu belehren? Wacht ihr erst auf, wenn ihr tot seid, ihr Engländer?«
    In seinem biederen, gutmütigen Gesicht, das sehr jung aussah, seit er sich mit einem von einem Burmesen geborgten Messer rasiert hatte, gewahrte sie verwirrtes, eigensinniges Staunen. Er erfaßte die Bedeutung ihrer Worte nicht, und sie erkannte, daß Zorn und Spott keinen Zweck hatten, denn er wußte nicht, warum sie zornig war oder weshalb er verspottet werden konnte. Die Worte gingen in seine Ohren, aber irgendwo in seinem Innern prallten sie gegen eine Mauer und kamen zurück, ohne wirklich eingedrungen zu sein oder einen Widerhall zu hinterlassen. »Kommen Sie«, sagte sie, »wir müssen weiterziehen – eine andere Rettung gibt es nicht.«
    Ebensowenig wollte sie mit ihren Frauen in diesem Dorf zurückbleiben, denn was würde aus ihnen werden, wenn sie hier blieben? Nein, die Weißen waren schließlich ihre Verbündeten, und sie hatten keine andern.
    So begab sie sich an diesem Tag zu dem alten Mann, der, wie sie inzwischen erfahren hatte, der Dorfhäuptling war, und fragte ihn durch Gebärden nach dem Weg. Er verstand sie und bedeutete ihr durch Zeichensprache, daß jemand sie aus dem Urwald zu den Straßen geleiten würde.
    Sie verließen das Dorf, wo man sie so freundlich aufgenommen hatte, und zogen wieder ihres Weges, obwohl niemand sagen konnte, was für ein Weg es war.
    Auch Sheng und seine Gefährten waren dahingewandert. Diese Reise war durch etwas
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