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Das Geloebnis

Titel: Das Geloebnis
Autoren: Pearl S. Buck
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alle Bauern dieses vom Feind beherrschten Gebiets, zweimal verdünnt, so daß die feindlichen Aufseher, welche die Äcker prüften, nicht sehen konnten, wie gut die Ernte in Wirklichkeit war. Das heimlich geerntete Korn hatten sie des Nachts gedroschen, und es war in dem Keller unter der Küche in Behältern versteckt.
    Jetzt nähte Jade an einem Kleid für Lao Er, und während sie stichelte, fühlte sie Verachtung für den Stoff, aus dem das Gewand entstand. Die Baumwollstoffe waren samt und sonders schlecht, denn das war alles, was der Feind ihnen gebracht hatte. Eines Tages, träumte sie, würde sie wieder das alte schöne, kräftige blaue Tuch weben, das vom Vater zum Sohn dauerte, eines Tages, wenn sie wieder frei waren. Ja, sie würden wieder frei sein; sie wußte es, sie fühlte es. Es gab kein Gelöbnis, dem Auge sichtbar oder dem Ohr hörbar, und doch hatten Männer und Frauen inmitten des gegenwärtigen Übels aus ihren eigenen unbeugsamen Herzen Hoffnung geschöpft.
    Aus solchem Sinnen heraus hob sie den Kopf und sah die beiden Männer über die Felder kommen, die Sicheln in der Hand. Sie schritten Seite an Seite, kraftvoll und fest.
    Sie erhob sich, um ins Haus zu gehen und das Essen auf den Tisch zu setzen. Plötzlich hielt sie inne in ihrem Tun, denn sie hörte ihre Zwillingssöhne schreien. Sie stritten miteinander; der größere hatte den kleineren angegriffen. Die beiden waren nämlich nicht von gleicher Größe; der Zweitgeborene war kleiner; und es trieb sie, dem kleineren gegen den größeren beizustehen, denn er wurde hart bedrängt und weinte und schrie. Doch dann unterließ sie es. Sie stand nur da und beobachtete die beiden, während das Weinen und Brüllen fortdauerte. Sie wartete ab, um zu sehen, wie sie diesen Kampf ausfochten.
    Plötzlich gewahrte sie, daß der kleine Bursche zu weinen aufhörte, daß sein Gesicht einen Ausdruck der Wut annahm, und dann stürzte er sich mit all seiner Kraft auf den größeren, wobei der Zorn sein kleines Antlitz aufglühen ließ und seinen Arm stärkte, und sie lachte.
    »Gut, mein Sohn!« rief sie. »Wehr dich – kämpfe, kämpfe!«
    Und zufrieden ging sie ins Haus.
     

*        Thailand = Siam
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