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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Autoren: Anna Fuchs
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Auftrag.
    »Aber es ist nicht irgendein Auftrag, der Himmel möge mir beistehen, es geht schließlich um ihre eigene Tochter, die sich hier krümmt und schreit …«, lautlos formte der Bischof die Worte, lief auf und ab und versuchte, nicht in das Innere des hohen Bettes zu sehen, nicht hinter die halb zugezogenen Vorhänge zu blicken, wo Agnes erneut mit einer Welle anrollenden Schmerzes fertigwerden musste. Aber natürlich würde er wieder auf das schmerzverzerrte Gesicht blicken müssen, auf den sich windenden Körper, der unter einem großen Tuch verborgen war und dessen Inneres nur für die Wehmutter zu sehen war. Immer wieder prüfte sie den Muttermund, horchte am Bauch und schüttelte kaum merklich den Kopf.
    Die kommende Wehe quälte den geschundenen Leib mit aller Macht, der nächste Schwall Blut tränkte die Laken. Die Wehmutter entfernte mit einem Ruck das Leinen, warf es achtlos zu Boden, breitete neues auf, schickte die Magd, die vor der Tür wartete, forsch und ungehalten um neues Wasser, redete beruhigend auf Agnes ein, tastete vorsichtig zwischen den Beinen der Gebärenden und schüttelte wieder verzweifelt den Kopf. Das Antlitz der jungen Frau Agnes war grau, die blonden Locken dunkel und verschwitzt am Kopf klebend. Sie verschwand in ihrem hohen Kopfkissen fast, und nur ganz leise hörte man ihr Röcheln, als der Schmerz langsam wieder abklang.
    »Sie ist schon zu schwach und hat zu viel Blut verloren«, murmelte die Wehmutter und fuhr sich über das einfache graue Kleid aus dickem Wollstoff und die vorgebundene Leinenschürze, die mit Blutflecken übersät war. Mehr zu sich selbst, als zum anwesenden Bischof sagte sie: »Ich brauche meine Gerätschaften, wenn ich das Kind noch retten will, sie schafft es einfach nicht, es allein herauszupressen, es liegt verkehrt und kommt nicht vor und nicht zurück … ich kann es mit bloßen Händen nicht drehen …«
    Fragend, wie um Zustimmung bittend, sah sie den hohen Herren, der rastlos auf und ab ging, an.
    »Tu Sie, was getan werden muss«, antwortete dieser rau und wandte sich abrupt ab. Nein, um nichts in der Welt wollte er mit eigenen Augen sehen, wie diese verlässliche Frau die Marterwerkzeuge wer weiß wo einführte, den Kopf des Kindes zu fassen versuchte, um dann mit der nächsten Wehe dieses kleine Wesen ein Stück weiter durch den Geburtskanal zu ziehen. Nein, er war wirklich nicht der geeignete Mann, um dieser Szene beizuwohnen. Er wollte nicht wissen, wie das Kind lag, wer wo wie etwas drehen oder pressen musste. Ihm war die ganze Situation von Grund auf widerlich, barbarisch, und er fühlte sich fehl am Platz und überfordert. Warum nur hatte die Gräfin ausgerechnet ihn ausgesucht? Nicht nur, dass er ein Mann der Kirche war, dass er unverheiratet war, dass er Frauen in dieser Situation gar nicht sehen wollte, er war auch noch viel zu empfindsam. Ihn drangsalierte dieses heisere Schreien über alle Maßen, er musste seine schweißnassen Hände über die Augen legen und sich auf seinen rot gepolsterten Sessel aus Nussholz setzen, um die aufsteigende Übelkeit und den Schwindel, der ihn plötzlich erfasste, zu unterdrücken.
    Wie lang noch muss ich mir diese Marter anhören, dachte er verzweifelt.
    Kurz nahm er die Hände von den Augen. Er saß hinter der Wehmutter und konnte nur ihr konzentriertes Atmen und das grausame Klacken der Geburtszange hören. Sehen konnte er nur den linken Arm von Agnes, deren Haut wächsern und deren Finger unnatürlich verkrampft die Laken umklammerten.
    Eine tiefe Traurigkeit überkam ihn, als er das Amulett aus Adlerstein an ihrem Handgelenk sah. Er wusste, was es zu bedeuten hatte. Verbunden mit einem innigen Gebet sollte es Schwangeren eine sanfte Geburt bescheren. Er stellte sich die blondgelockte, zierliche junge Frau vor, wie sie noch vor gar nicht langer Zeit hoffnungsvoll ihren Bauch umfasste und zur Jungfrau Maria betete …doch nach über 24 Stunden Geburtsschmerzen, nach jeder Wehe, die ein weiteres Stück ihres noch so jungen Lebens verzehrte, hatte die liebe Gottesmutter wohl anderes mit ihr vor.
    »Er weiß, was Er zu tun hat in allen möglichen Fällen …« Hart drang die Stimme der Gräfin aus der Erinnerung an das Ohr des Bischofs. Wie benommen leierte er im Geiste herunter, was sie ihm gesagt hatte.
    »Sollten beide nicht überleben, dann ist das Problem ein kleines«, begann sie, und er fühlte noch jetzt, wie sehr ihn schon dieser erste Satz erschütterte und sein Mitleid mit Mutter und
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