Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Autoren: Anna Fuchs
Vom Netzwerk:
Kind sein Herz beengte. Nie hätte er dieser eleganten Erscheinung eine solche Kaltschnäuzigkeit zugetraut. Aber es sollte noch viel schlimmer kommen.
    »Wenn Mutter und Kind wohlauf sind, dann soll Er sie mit der Wehmutter nach Bozen bringen. Es wird dort für sie gesorgt werden, und Er ist entlassen …«
    Das wäre wohl die beste Lösung, dachte der Bischof, sah zum Bett, wo die Wehmutter verzweifelt werkte, und schüttelte den Kopf.
    »Stirbt das Kind«, hörte er weiter den Widerhall der Stimme »kommt Agnes nach Meran. Er wird dann alle Vorkehrungen treffen, dass sie gesund und vor allem ungesehen von dieser Burg herunterkommt. Er ist mir dafür im Wort …«
    Scharf sog der Bischof die Luft ein, als er an den letzten Teil der Anweisungen dachte:
    »Stirbt die Mutter, dann …«
    Wieder erfasste ihn eine Welle der Übelkeit, und er wusste nicht recht, ob es an der stickigen Luft, dem Geruch von Blut, dem immer schwächer werdenden Wimmern oder an der Unerschütterlichkeit der Gräfin lag. Er sah sie vor sich stehen, schön, vornehm, unnahbar und unerbittlich.
    »Stirbt die Mutter, dann …«
    Noch fühlte er seine Bestürztheit, wie er die Gräfin zu einer reich mit Schnitzereien verzierten Truhe schreiten sah, wie sie mit ihren schlanken Fingern ein meterlanges besticktes Band herauszog. Der golddurchwirkte Stoff schimmerte sanft im Kerzenschein, die schwarzen aufgenähten Adler glänzten dunkel, und die Emailleplättchen funkelten. Der Bischof wusste, dass es wenige so kostbare Stücke wie dieses gab, und war sich sicher, dass er es mit einem wahrlich kaiserlichen Attribut zu tun hatte. Zu exakt waren die Stickereien, zu prachtvoll das Emaille, zu golden die Seide. Er hielt damals vor Spannung die Luft an und wagte fast nicht mehr, weiter zu atmen, als er sah, was die Gräfin mit diesem Kleinod an Handarbeitskunst anstellte. Einmal nur ließ sie die Stola durch ihre Finger gleiten und der Bischof meinte gesehen zu haben, wie ihre Unnahbarkeit Risse bekam, wie ihr Antlitz für einen Moment wie von innen erleuchtet schien. Umso mehr erschreckte ihn dann die abrupte Bewegung der hohen Frau. Fassungslos starrte er auf ihre Hände, die mit einem festen Griff die wunderschöne Stola fassten und nach einer geeigneten Stelle tasteten. Fast körperlich fühlte er den Schmerz, als die Seide mit einem hohen Ton nachgab und riss. Er konnte kaum mit ansehen, wie achtlos das kleinere, etwa eine Elle lange Stück schlampig und geknittert in einen Lederbeutel gestopft wurde, und der viel längere, übrig gebliebene Teil dieser Stola achtlos in die Truhe geworfen und diese mit einem lauten Klappen geschlossen wurde. Selbst jetzt in diesem dunklen heißen Zimmer, weit weg von der Gräfin, spürte er ihren brennenden Blick, als sie seine Trauer über das zerstörte Kleinod sah. Sie schwenkte fast triumphierend den Beutel vor seinem Gesicht und setzte in ihrer ruhigen Stimme wieder an, als hätte es diesen Anfall von Zerstörungswut nie gegeben:
    »Stirbt die Mutter, Herr Bischof, dann …«
    Er wagte es nicht, sich den ganzen Satz in sein Gedächtnis zu rufen, denn er wusste, nur noch eine geringe Zeitspanne und er würde dafür sorgen müssen, dass die Anweisungen der hohen Frau erfüllt würden.
    Das neuerliche Wehklagen von Agnes war nicht mehr menschenähnlich, als die Wehmutter mit der nächsten Wehe den Steiß des Kindes herauszog. Doch Arme, Beine und vor allem der Kopf steckten noch fest. Es hörte sich wie Winseln und Jammern eines bis zur Grenze gemarterten Tieres an. Dann schwoll das Wimmern zu einem Schrei an, immer lauter, immer schriller. Die Wehmutter, die vor Kurzem noch geschluchzt hatte und deren Unterarme voll Blut waren, werkte mit ausdruckslosen Augen, weit entfernt jetzt von jeder Anteilnahme, wie unter Trance versuchte sie zu retten, was noch zu retten war. Der Bischof begann still zu beten, um nicht gänzlich die Kontrolle über sich zu verlieren. Zu unmenschlich, zu barbarisch war das, was er mit ansehen musste. »Nein, nein, nein«, schrie es in seinem Kopf, »Ich kann nicht mehr. Mein Gott, ich bin nicht der Richtige, das hier zu bezeugen und zu Ende zu führen …«
    Plötzlich war es still. Kaum hörbar vernahm der Bischof die geflüsterten Worte der Wehmutter:
    »Agnes, vergib mir. Ich konnte dir nicht mehr helfen. Friede deiner Seele.« Damit wandte sie sich mit Schluchzen dem blauen, mit Blut beschmierten Bündel zu, das sie aus der gemarterten jungen Frau gezogen hatte. Kein Laut
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher