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Silberne Sterne über Montana

Silberne Sterne über Montana

Titel: Silberne Sterne über Montana
Autoren: Melinda Cross
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1.KAPITEL
    Tana stand reglos am Fenster, dessen Scheiben die Umrisse ihrer schlanken Gestalt widerspiegelten. Obwohl es schon spät war, wurde es draußen nicht richtig hell, was meistens schlechtes Wetter verhieß. Es wird Sturm geben, dachte Tana.
    Sie zog die schmalen Augenbrauen hoch und sah zu den in der Ferne liegenden schimmernden Berggipfeln hinüber. Während ihrer Kindheit hatte sie die Berge stets als etwas Beschützendes empfunden, als Hüter von Stadt und Mensch.
    "Sie sind gefährlich", hatte Tanas Vater jedoch immer gesagt und damit ihrer kindlichen Schwärmerei einen Dämpfer versetzt. "Sie fangen das Regenwasser auf und geben es nicht mehr her, wenn wir es am nötigsten brauchen, und sie befehlen dem Sturm, uns im Winter unter Schnee zu begraben. Die Berge sind nicht unsere Freunde, mein Kind."
    Er hatte natürlich Recht gehabt. Nur, weshalb war er dort geblieben? Warum hatte er darauf bestanden, in ihrem Schatten zu leben?
    Tana schaute blicklos hinaus auf Montanas Winterlandschaft, die von Ehrfurcht gebietenden Berggipfeln beherrscht wurde.
    Zur Hölle mit ihnen! dachte sie verbittert. Zur Hölle mit dem ganzen Staat Montana und vor allem mit dieser Ranch.
    Sie hatte ihr die Mutter genommen, bevor sie diese überhaupt hatte kennen lernen können. Und jetzt, Jahre später, hatten die Berge ihren Vater gefordert. Die Berge waren unbesiegbar. Man konnte ein Leben lang gegen sie ankämpfen, zu bezwingen waren sie nicht.
    Tana schüttelte ungeduldig den Kopf und ordnete ihr langes Haar, das ihr weit über die Schultern fiel. Ihr blasses Gesicht, umrahmt von einer schwarzen Lockenpracht, sah verletzlich aus, und ihre schlanke Gestalt unterstrich das noch. Der trotzige Ausdruck in ihren Augen strafte den Eindruck jedoch Lügen.
    Sie ließ den Blick über die Hügel schweifen, die den Bergen vorgelagert waren, und betrachtete jeden Baum und Strauch, als würde sie tatsächlich erwarten, dass ein Rind plötzlich aus dem Schatten der Bäume heraustrat und das tödliche Versteckspiel beendete, ehe es überhaupt begonnen hatte. Und es musste bald beginnen. Die Färbung des Himmels deutete darauf hin, dass die Zeit ablief.
    Irgendwo im Hochland, auf Tausenden von Morgen ungezäunten Ackerlands zog der Bulle Pillar umher und mit ihm an die einhundert trächtige Rinder. Die letzten jener großen Herde, die Tanas Vater gehört hatte. Es war keine große Herde, jedenfalls nicht für ein Land, in dem man Vieh zu Tausenden zählte. Pillar mit seinem Erbgut war als Zuchttier jedoch unschätzbar. Wenn er sich nur mit der Hälfte der im Frühling freigelassenen Jungtiere gekreuzt hatte, würde der Verkauf der Kälber so viel einbringen, dass Tana damit die Ranch, an der ihr Vater so gehangen hatte, vor dem Ruin retten könnte.
    Tana musste sie nur in den Bergen aufspüren und vor Wintereinbruch ins Tal zurücktreiben, und zwar alle und ganz allein und vor allem, bevor der erste Blizzard kam. Sie presste die Hände gegen die Schläfen und schloss die Augen. Es war eine verrückte Idee. Weshalb beschäftigte sie sich überhaupt damit? Sie mochte dieses Fleckchen Erde hier doch sowieso nicht mehr. Beinahe sechs Jahre war es her, dass sie es überstürzt verlassen hatte. Damals hatte sie dem beständigen Überlebenskampf in dieser Bergwildnis des amerikanischen Westens eine Beschäftigung als Lehrerin in Chicago vorgezogen.
    Jetzt, da ihr Vater tot war, konnten die Vertragspartner die Mitchell-Ranch gern übernehmen. Jetzt konnten D.C.
    Enterprises - wer auch immer sich dahinter verbarg - gern alles haben, einschließlich der Trauer und der Kopfschmerzen, die Tana verspürte, und auch des Todes. Ihr war es gleichgültig, und doch sträubte sich etwas in ihr, kampflos aufzugeben.
    Tana wandte sich vom Fenster ab und ging ziellos im großen Raum, dem ehemaligen Arbeitszimmer ihres Vaters, auf und ab.
    Sie ließ dabei die Fingerspitzen über Gegenstände aus dem Familienbesitz gleiten und suchte Trost bei den Dingen zu finden, die ihr Vater besonders geliebt hatte.
    Schließlich blieb sie vor dem großen Eichenschreibtisch stehen, auf dem zahlreiche gerahmte Bilder standen. Das Foto ihrer schönen, jungen Mutter, an die sie sich nicht mehr erinnern konnte, zog Tana wie magisch an. Das Glas des Bilderrahmens war so makellos sauber, dass Tana sich darin sehen konnte. Wie immer, wenn sie das Bild betrachtete, faszinierte sie auch diesmal die Ähnlichkeit ihrer beider Gesichtszüge.
    Sie wandte den Blick von dem Foto erst wieder
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