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Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Das gelbe Hurentuch: Hannerl ermittelt (Historischer Roman) (German Edition)
Autoren: Anna Fuchs
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erfüllte die Stille. Mit Bangen sah der Bischof, wie die Wehmutter den Säugling, der noch immer an der Nabelschnur hing, mit dem Kopf nach unten baumeln ließ. Dann schlug sie sanft auf das Hinterteil des Kindes. Ein Krächzen war zu hören, das dann in ein Gurgeln überging. Erleichtert drehte die Wehmutter das Kind um, sprach besänftigend auf das kleine Wesen ein, während sie die Nabelschnur durchschnitt und die Verbindung zur toten Mutter endgültig trennte. Dann deckte sie die Mutter mit einem sauberen Tuch zu und nickte kurz in die Richtung des hohen Herrn.
    Der Bischof trat nun nahe an das Bett der toten jungen Frau, schloss die Lider in diesem viel zu jungen, von den erlittenen Schmerzen gezeichneten Gesicht. Bevor er ihr die Letzte Ölung gab, strich er eine der schweißnassen Locken von ihrer Wange und schalt sich augenblicklich selbst wegen dieser unangebrachten Gefühlsregung.
    Ich kann nicht mehr, dachte er wieder und war sich bewusst, dass das erst der Anfang einer Katastrophe war, deren Ausmaße er sich jetzt noch gar nicht ausmalen wollte. Die Mutter war tot, das Kind lebte offensichtlich. Der schwierigste Fall war eingetreten. Unabänderlich. Er musste handeln, wie es ihm aufgetragen war. Nach seinem Gebet und seinem Segen deckte er Agnes zu und sah zur Wehmutter, die sich auf einem vorbereiteten Tisch mit weichen Tüchern zu schaffen machte. Aus einem bereitstehenden Tonkrug schüttete sie warmes Wasser in einen kleinen Holztrog, setzte ein paar Tropfen Öl dazu und begann das Kind mit einem Lappen vorsichtlich zu waschen.
    Verstohlen sah der Bischof zum Neugeborenen. Es hatte den Kopf unnatürlich in die Länge gezogen, die Stirn war flach, die Augen von der anstrengenden, viel zu langen Geburt rot unterlaufen. Die Fingerspitzen waren blau, die kleinen Zehen und die Nasenspitze ebenfalls. Schwer konnte sich der Bischof vorstellen, dass dieses Wesen lebensfähig war. Augenblicklich keimte eine Hoffnung in ihm, dass vielleicht auch das Kind sterben könnte, und er dann der Gräfin nur den Tod von Mutter und Kind mitteilen musste – und fertig. Doch sofort schämte er sich seiner Gedanken, die ihm seine Feigheit eingaben. Nie würde er diese Sünde auf sich laden können, dieses noch so schwache Leben auszulöschen.
    »Aber wie steht es dann um das, was du noch zu tun hast«, drängte sich ihm sein Gewissen auf, »das ist keine Sünde, nein?« Mit einer fahrigen Bewegung über seinen Hals wischte er die Gedanken weg.
    Inzwischen hatte die Wehmutter unter leisem Schluchzen die Nabelschnur fein säuberlich abgebunden und sie mit Leinenstreifen, die in Olivenöl getaucht worden waren, um den kleinen Bauch gebunden. Nun machte sie sich daran, das Kleine mit einem warmen, weichen Tuch sorgfältig abzutrocknen. Zärtlich reinigte sie Ohren und Nase und gab einen Tropfen Öl auf jedes Auge. Unter Tränen wickelte sie den Säugling, beugte sich zu ihm und flüsterte: »Genauso hab ich es damals mit deiner Mutter gemacht«, dann brach ihr die Stimme, und sie schluchzte erneut auf.
    Der Bischof wandte sich abrupt ab.
    Warum nur, Herr, musste ich auch noch das mit anhören? Warum präsentierst du mir diese Frau als rechtschaffen, tüchtig und wertvoll?
    Er krampfte seine Hände zusammen und blickte ausdruckslos ins Kaminfeuer. Es gab kein Zurück mehr, er wusste, dass der letzte, grausame Akt dieser Tragödie angebrochen war. Der Hauptdarsteller war er selbst.
    Die Wehmutter wickelte mit geübten Handbewegungen die Glieder des Kindes, um ihm einen guten Wuchs zu sichern, die kleinen Arme, die Beinchen und sogar den Kopf. Dann zog sie es an und legte den Säugling behutsam in die vorbereitete Wiege. Lächelnd sah sie es noch einmal an, bevor sie sich dem Bischof zuwandte und meinte:
    »Die Taufe wird wohl am Hof von Meran stattfinden!«
    »Ja, in Meran«, murmelte der Bischof und fasste hinter seinem Rücken mit beiden Händen einen massiven Schürhaken, den er kurz zuvor unbemerkt vom Kamin genommen hatte.
    »Wenn die Mutter stirbt …«, schrie es fast in seinem Kopf, »muss Er sich dafür verbürgen, dass keine Spuren hinterlassen werden, keine, versteht Er das? Ich meine wirklich nicht der kleinste Hinweis, dass ein Kind überlebt haben könnte, und vor allem … keine Zeugen!«
    Die Wehmutter drehte sich wieder beflissen zur Wiege, und in diesem Moment atmete der Bischof tief ein, hob den Schürhaken hoch empor und schlug der Frau mit voller Wucht auf den Hinterkopf. Erstmals in seinem Leben war er
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