Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde
Autoren: Toni Feller
Vom Netzwerk:
1
    »Angeklagter, Sie haben gehört, was Ihnen vorgeworfen wird. Haben Sie dazu noch etwas zu sagen?«
    »Ich bin unschuldig!« Philipp Otte rann der Schweiß aus allen Poren, als er diesen Satz schwer atmend hervorstieß.
    »Ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf. Das heißt: Ich bin unschuldig, Euer Ehren! Haben Sie mich verstanden?«
    »Ja … Euer Ehren.«
    »Herr Otte, ich weise Sie darauf hin, dass die Beweislage eindeutig ist und dass es bei der Urteilsfindung wohlwollend Berücksichtigung finden wird, wenn Sie ein Geständnis ablegen.«
    »Ich bin unschuldig, und Sie sind nicht berechtigt …«
    »Angeklagter, Sie erdreisten sich, zum wiederholten Male die Legitimation dieses Gerichtes anzuzweifeln.«
    Die Worte des Mannes in der schwarzen Robe waren so messerscharf und laut, dass Otte das Gefühl hatte, sie würden ihm die Kehle durchschneiden. Seine Mundhöhle wurde schlagartig trocken. Er brachte keinen Ton hervor. Gleichzeitig konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen.
    »Die gerichtlichen Untersuchungen haben ergeben, dass Sie alles andere als unschuldig sind. Nach Recht und Gesetz haben Sie vor der Urteilsverkündung das letzte Wort. Angeklagter, möchten Sie sich äußern?«
    Philipp Otte wusste, dass er auf verlorenem Posten stand und es wenig Sinn machte, wenn er jetzt etwas sagte. Vermutlich würde seine Stimme sowieso versagen. Deshalb schüttelte er nur den Kopf. Sehr wohl war ihm bewusst, dass die Anklage in allen Punkten zutraf und dass es nur ein Teil dessen war, was er sich tatsächlich zuschulden hatte kommen lassen. Vorzugeben, er sei unschuldig, war absurd. Das sah er in diesem Moment ein.
    »Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück.« Mit diesen Worten stand der Mann in der schwarzen Robe auf und verließ den Raum.
    Otte war klar, dass er keine Chance mehr hatte. Man hatte ihm Handschellen und Fußfesseln angelegt. Jeder Fluchtversuch würde allein schon daran scheitern. Außerdem saß ein Aufpasser in grüner Uniform keine zwei Meter neben ihm. So wartete er mit gesenktem Kopf auf die Rückkehr des Richters. Nach endlos erscheinender Zeit ging endlich die Tür auf. Otte zuckte zusammen. Als ob er sich vergewissern wollte, dass alles seine Ordnung hatte, blieb der Richter kurz unter der Tür stehen und sah in den Raum. Dann schritt er majestätisch zu seinem Platz. Er hatte ein dünnes Aktenbündel in der Hand, das er vor sich auf dem Tisch ablegte. Anschließend schlug er das Bündel auf und entnahm daraus mehrere lose Seiten. Den Blick auf Otte gerichtet, begann er mit schneidender Stimme:
    »Angeklagter, erheben Sie sich!«
    Otte schüttelte stumm den Kopf. Widerstand erschien ihm zwecklos. Er erhob sich langsam. Schweiß rann ihm unter dem Hemd den Rücken hinunter. Die metallene Schließe um das linke Fußgelenk verursachte ihm beim Stehen empfindliche Schmerzen. Sicher würde es an dieser Stelle bald bluten.
    »Im Namen des Volkes: Der Angeklagte wird hiermit zur Höchststrafe verurteilt. Er erhält eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. Die besondere Schwere der Schuld wird hiermit festgestellt. Angeklagter, Sie können sich setzen.«
    Wenngleich die ersten beiden Sätze nicht niederschmetternder hätten sein können, empfand Otte für die letzten fünf Worte so etwas wie Dankbarkeit, denn der Schmerz an seinem Fuß war unerträglich geworden. Kaum hatte er auf dem harten Stuhl Platz genommen, verschaffte er sich Linderung, indem er mit dem rechten Fuß die Fesselung am anderen etwas nach oben schob. Dumpf drangen die Worte der Urteilsbegründung an sein Ohr. Er nahm sie nur noch in Fetzen wahr. Ihn interessierte auch nicht mehr, wie das Urteil begründet wurde. Fakt war, dass er nun für seine Untaten büßen musste. Gottes Zorn hatte ihn eingeholt.
    Kurze Zeit später wurde er von dem Uniformierten in eine fensterlose Zelle gebracht. Auf dem Weg dorthin sah Otte, dass sein Aufpasser einen Elektroschocker aus dem Gürtel zog. Das Gerät war circa 40   Zentimeter lang und sah aus wie ein Polizeiknüppel. Am vorderen Ende sah man zwei Elektroden. Otte erinnerte sich, dass er vor langer Zeit einmal eine Fernsehsendung über Tierschutz in Deutschland gesehen hatte, in der Schweine mit ähnlichen Geräten zum Schlachten getrieben wurden. Genauso kam er sich jetzt vor. Er war sicher, dass der Grüne nicht einen Moment zögern würde, ihm mindestens 100.000   Volt zu verpassen, wenn er auch nur eine falsche Bewegung machen würde. Und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher