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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus
Autoren: Uschi Flacke
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nickte wieder. »Ich werde für die Toten schreiben, um ihrer zu gedenken, dass ihre Ideen in der Unendlichkeit des Universums nicht verloren gehen und jeder ihnen nacheifern kann. Denn alles muss geschrieben sein. Ich werde für die Lebenden schreiben, um die Unwissenden und Narren zu täuschen, und ich will die Ungeborenen in Kenntnis setzen, die den Schlüssel zur Wahrheit besitzen. Nur jene, die um das Geheimnis wissen, können den großen Plan durchschauen.«
    »Und was ist mit Challenge? Wird er Euch etwas antun?«
    Nostradamus lächelte wieder. »Wenn Challenge sich selbst mit Gift getötet haben wird, werden neue Männer an seine Stelle treten, machthungrige Verräter und geldgierige Verbrecher. Ich kann ihnen nur zuvorkommen, wenn ich endlich tue, was zu tun ist.«
    Nostradamus fasste nach einem glühenden Holzscheit aus dem Kamin, während er mit der anderen Hand einen dicken Stapel Papiere unter seinem Wams hervorzog. Der lederne Umschlag fiel klatschend zu Boden, als er die knisternden Seiten in einen kupfernen Kessel steckte und anzündete.
    »Was macht ihr da?«, schrie Marie entsetzt. Schon fraßen sich die ersten glühenden Feuerzungen die eng beschriebenen Blätter hoch. »Eure Aufzeichnungen…«
    Nostradamus schien von einer ungeheuren Gelassenheit. »Sie sind jetzt verschlüsselt…«
    Später wird, in seinen Annalen zu lesen sein: »Während die magischen Schriften verbrannten, die Flamme sie verzehrte, entstand eine ungewöhnliche Heiligkeit. Sie war heller als das natürliche Licht, so wie das blitzende Feuer eines Gewehrs. Es erleuchtete das Haus so plötzlich, als wäre ein jäher Brand entstanden… «
    Nostradamus starrte wie gebannt in die lodernden Flammen, während er lächelnd über seinen ergrauten Bart strich. Da fiel Maries Blick auf einen aufgeschlagenen Kalender, ein Datum war rot angestrichen. Daneben stand: Hier ist der Tod zur Stelle. Es gibt nichts mehr zu tun. Ich gehe zu Gott. Es kommen die Nächsten, die Familie, Blutsbrüder. Ich werde von ihnen auf einer Bank gefunden. Tot.
    Marie versuchte das Datum zu entziffern. Es war der 2. Juli 15… aber da sackte die Helligkeit des Feuerscheins in sich zusammen. Das Jahresdatum verschmolz mit den herumirrenden Schatten, die sich langsam über das Zimmer senkten. Als Nostradamus in der Glut einen Holzscheit entzündete, fiel Maries Blick auf den ledernen Einband, der aufgeklappt auf den Holzdielen lag. In einer Ecke war ein Drachen eingraviert, der sich um ein »A« wand, das gleiche Zeichen wie auf den Ringen, die Nostradamus und Maurice trugen.
    »Was hat… dieses Zeichen zu bedeuten?«, fragte Marie zögerlich.
    »Das ›A‹ ist die Abkürzung für Azoth«, raunte Nostradamus ihr leise zu. »Es ist ein Symbol der Eingeweihten, ein Erkennungsmerkmal für die Frauen und Männer, die es tragen.«
    Da peitschten Schüsse durch die Nacht. Auf dem Kirchplatz loderten die Fackeln hoch auf. Marie huschte besorgt ans Fenster und beobachtete, wie die hohe Kirchentür gegenüber mit langen Holzblöcken eingerammt wurde. In den bleiverglasten Fenstern spiegelten sich die Flammen wie entfesseltes Höllenfeuer. Jetzt wurden Marien- und Heiligenstatuen herausgeschleppt und in blinder Wut auf das Pflaster geworfen. Mit lautem Knall zerbarsten die bunt bemalten Skulpturen zu schillernden Tonscherben. Wie Vorboten einer zerstörerischen Zeit türmten sie sich zu Schuttbergen. Unten vor dem Fenster standen Lucie, Manuel und Maurice und winkten Marie aufgeregt zu. Irgendwo flammten Scheiterhaufen auf.
    »Und nun geh«, sagte Nostradamus mit sanfter Stimme. »Die Zeit drängt.«
    »Wird es zum Krieg kommen?«, fragte Marie leise.
    Nostradamus’ graublaue Augen schauten sie liebevoll an. »Glaubenskriege sind wie fließende Flüsse. Sie sind nicht aufzuhalten…«
    »Aber Ihr wirkt doch auch dabei mit. Ihr habt doch eigenhändig in Agen die kleine Marienstatue des Paters zerstört!«
    »Ich wende mich nur gegen die Entweihung religiöser Symbole«, sagte er leise. »Dies hier ist etwas ganz anderes. Und du musst dich schnellstens auf den Weg machen. Noch ist Challenge am Leben.«
    Marie und der weise Seher umarmten sich. Sie spürte, wie ihre Augen brannten. Der Schmerz eines längst verdrängten Abschieds aus Agen de Provence drängte sich mit einem Mal hoch, als wollte er ihren Körper zerreißen.
    »Nun geh«, sagte er noch einmal ganz leise. »Und keine Angst, wir sehen uns wieder.«
    Die Milchstraße funkelte wie ein blitzendes Kristallband,
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