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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus
Autoren: Uschi Flacke
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Menschen in fahles Zwielicht.
    Katharina von Medici saß regungslos unter ihrem königlichen Baldachin. Die Mätresse des Königs winkte begeistert mit einem seidenen Tüchlein. Der Spielmann griff zur Laute, die Gaukler zogen sich italienische Vogelmasken über, die in teuflischem Rotbraun unter wirren Federhüten hervorschielten.
    Marie seufzte erleichtert auf. »Das Schicksal hat diesmal wohl anders entschieden!«
    Doch dann bemerkte sie unter Entsetzen, dass der König an der hinteren Schranke nicht absteigen wollte. Ein Raunen ging durch die Menge. Worte hasteten von Mund zu Mund wie ein unendliches Sprachband, das die Neuigkeit weitergeben wollte. Von Schmach war die Rede. Von verlorenem Steigbügel. Und davon, dass der König noch einmal gegen Montgomery antreten wollte. Marie war wie betäubt. Ihr schien, als würde die Zeit in unendlicher Langsamkeit und doch in blitzartiger Geschwindigkeit an ihr vorüberziehen: Zwei Pagen kamen angerannt und brachten neue Lanzen. Der König ließ die vergoldeten Stäbe seines Visiers herunter. Sein Knappe überprüfte die Verschlüsse seiner Rüstung. Trompeten hallten auf. Die Satteldecke hing dem erregt herumtänzelnden Hengst feucht auf den Flanken. Jetzt erwachte Marie aus ihrer Erstarrung.
    »Reitet nicht!«, schrie sie. »Ihr dürft nicht reiten!« Aber die beiden Pferde preschten schon unter Hufgedonner die bemalten Schranken entlang. Ihre bewaffneten Reiter jagten in vollem Galopp aufeinander zu. Marie hielt entsetzt die Hände vor den Mund. Die Lanze des Königs verfehlte ihr Ziel. Montgomerys Lanze traf im falschen Winkel auf die obere Rüstung des Königs, zersplitterte am Brustkorb und rutschte nach oben. Der Lanzenstumpf bohrte sich durch das goldene Visier in das Auge des Königs. Die Menge erstarrte mit einem Mal, als würde die Zeit den Atem anhalten. Noch saß der König mit dem hölzernen Stumpf zwischen den goldenen Visierstäben aufrecht im Sattel. Jetzt schwankte er und glitt langsam vom Pferd. Blut sickerte zu Boden und breitete sich zu einer rot schimmernden Lache aus. Ein einstimmiger Aufschrei gellte über den Platz. Die schwarzen Raben flatterten unter wildem Krächzen hoch und stoben davon. Bedienstete hetzten auf den blutenden König zu, alles rannte tumultartig durcheinander, Pferde wieherten auf, Menschen schrien um Gnade und streckten ihre gefalteten Hände dem Firmament entgegen. Katharina von Medici erhob sich bedächtig von ihrem königlichen Stuhl. Ein winziges Zucken umspielte ihre Mundwinkel. Als würde sie in ein neues Leben entlassen, warf sie Diane de Poitiers, die in ohnmächtiger Verzweiflung dem sterbenden König entgegenrannte, einen vernichtenden Blick zu und schritt hoch erhobenen Hauptes davon.
    Nostradamus schaute nachdenklich aus dem Fenster in die Ferne, als Marie ihm Wochen später von dem Ritterturnier erzählte. Es war früher Abend. Draußen auf dem Kirchplatz rottete sich die Menge zusammen, brennende Fackeln wurden in die Höhe gereckt und wütend geschwenkt, als würde ein Meer aus Flammenspitzen hin und her wogen.
    »Wenn das Schicksal sich entschieden hat, so zu handeln«, sagte Nostradamus, »wer könnte sich dagegen auflehnen?«
    »Aber Ihr habt gesagt, dass jeder für sein Schicksal selbst verantwortlich ist«, sagte Marie leise.
    Nostradamus lächelte. »Es ist ein ewiger Kreislauf von Schuld und Sühne, wer vermag da über Gerechtigkeit zu urteilen? Das steht nur in der Macht des Allerhöchsten.«
    »Aber können wir nicht das Schicksal wenden?«
    »Dazu bedarf es wahrer Reue. Dann können wir auf Verzeihen und göttliche Gnade hoffen… Aber erzähl, was wird aus dir und Manuel?«
    »Wir wollen uns in Bordeaux niederlassen, Manuel will das Weingut seines Vaters weiterführen. Mit dem Spielmann und Lucie, die immer noch auf Pierre, ihren Bruder, wartet. Ich darf doch…?«
    Nostradamus nickte. »Aber ja. Das ist dein Weg. Ich werde mich weiter nördlich in Salon-de-Provence niederlassen, ganz in der Nähe der zinnenbewehrten Türme des erzbischöflichen Palais. Ich werde wohl eine mariage de convenance eingehen, eine angesehene Witwe ehelichen. Sie wird mir Kinder gebären, während ich die Annalen niederschreibe und Ereignisse turbulenter Zeiten und großer Veränderungen voraussage. Tatsächlich wird meine Arbeit erst jetzt richtig beginnen und Gott hat dafür gesorgt, dass die Witwenrente von Anne, meiner Zukünftigen, auch mir zugute kommt.«
    »Ihr werdet die Ereignisse verschlüsseln?«
    Nostradamus
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