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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus
Autoren: Uschi Flacke
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zum Turnierplatz herunter und schmiegte sich an Manuel, der ihr zärtlich eine der störrischen Locken aus dem Gesicht pustete. Ihr Haar glänzte sienafarben, wie die fruchtbare Erde des Südens.
    »Keine Angst«, versuchte er sie zu beruhigen und küsste ihre Sommersprossennase. Marie hatte sie schon lange nicht mehr mit der bleichenden Salbe aus Ochsengalle behandelt. »Hier wird niemandem etwas passieren. Oder siehst du irgendwo so etwas wie einen Käfig?«
    Jetzt schallten Trompetenfanfaren über den Turnierplatz und ein erwartungsvoller Aufschrei ging durch die Zuschauermenge. Das war das Zeichen, dass sich König Heinrich II. im Ritterturnier duellieren würde. Ein Stalljunge führte einen großen türkischen Hengst herbei, der ganz auf Hochglanz gestriegelt war. Seine vergoldeten Hufe leuchteten in der Sonne. Der König wurde von Lakaien auf das Pferd gehievt. Er trug einen weißen, mit Silberfäden bestickten Surkot über einer blitzblank polierten, mit Gold ziselierten Turnierrüstung. Einer der Knappen reichte ihm die Lanze, die er weit vorstreckte, während er mit einer Hand das goldene Visier seines Ritterhelms herunterklappte. Ein Trompetensignal ertönte und der König gab dem schwarzen Hengst die Sporen. Ein kurzes Aufschnauben und Wiehern hallte über den Platz und schon galoppierten der König und sein Herausforderer aufeinander zu. Dann: ein Krachen und Splittern. Die Menge kreischte auf. Staub wirbelte hoch. Die Lanze des Königs war zerbrochen, der Gegner aus dem Sattel gestoßen. Jubel und Beifall brandete auf. Jetzt ritt der Herzog von Guise auf seiner schneeweißen Stute auf den Platz. Das edle Pferd plusterte die Nüstern auf und tänzelte unruhig auf der Stelle hin und her, bis die Trompeten das Zeichen zum Angriff gaben. In wilder Besessenheit galoppierten die Turniergegner aufeinander zu. Die Helmbüsche flatterten wie aufbegehrende Fähnchen, die Lanzen jagten in blitzartiger Geschwindigkeit die trennenden Schranken entlang. Ein berstendes Splittern zerschnitt die atemlose Anspannung. Der Herzog von Guise rutschte aus dem Sattel. Wieder hatte Heinrich II. gesiegt. Selbst mit vierzig Jahren war der König von Frankreich auch noch der König der Ritterschaft. Fahnen wurden geschwungen, Siegesschreie hallten über den Platz.
    Jetzt kam es zur dritten und letzten Begegnung. Die Turnierregeln besagten, dass für einen Sieg drei Durchgänge erforderlich waren. Diesmal sollte der König gegen Montgomery, seinen eigenen Rittmeister der schottischen Garde, antreten. Er war noch jung, kaum achtundzwanzig Jahre alt. Heinrich II. warf den Kopf mit dem goldenen Helm in den Nacken, das war eine Herausforderung, die seiner würdig war.
    Als Montgomery auf seinem temperamentvollen Hengst auf den Platz sprengte, wurde Marie leichenblass. Sie umkrallte die Hand von Manuel und zeigte auf das Schild des Rittmeisters. Auf goldenem Grund war sein Wappen aufgemalt. Ein roter Löwe blitzte wie feuriges Blut in der Sonne auf.
    »Der junge Löwe…«, stammelte Marie. »Er wird den alten auf dem Kampfplatz besiegen. Er wird ihn bei einem der Kämpfe ins Auge treffen, durch den goldenen Käfig…«
    »Aber der Käfig?«, raunte Manuel ihr atemlos zu. »Wo ist der goldene Käfig?«
    In diesem Moment klappte der König das goldene Visier herunter. Wie durch Gitterstäbe schaute er seinem Gegner entgegen.
    »Nein!«, schrie Marie auf und wollte sich durch die johlende Menge drängen, von der sie zurückgestoßen wurde. »Das darf er nicht. Er wird sterben!«
    Aber schon schmetterten die Trompetenfanfaren über den Platz. Die beiden Turnierkämpfer galoppierten auf ihren Pferden an den Schranken entlang aufeinander zu. Mit einem Donnerschlag prallten sie zusammen. Marie klammerte sich an Manuel und verbarg ihr blasses Gesicht an seiner Brust. Das Splittern der Lanzen drang in ihren Kopf, als würde sie selbst durchbohrt.
    »Komm, es ist gut«, raunte Manuel ihr zu, während sie vorsichtig den Kopf hob. »Dem König ist nichts passiert.«
    Montgomery saß fest im Sattel. Der König wankte, konnte sich aber gerade noch an den Zügeln festhalten.
    Sein rechtes Bein fuhr ins Leere, er hatte einen Steigbügel verloren. Ein Aufstöhnen ging durch die Menge. Da flog ein Schwarm riesiger Krähen auf das Turnierfeld zu und hockte sich lautlos in die hohen Äste der Bäume. Ihre Federn schillerten schwarz in der spärlichen Nachmittagssonne. Dünne Schleierwolken hatten sich über das Firmament geschoben und hüllten Häuser und
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