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Wo die coolen Kerle wohnen

Wo die coolen Kerle wohnen

Titel: Wo die coolen Kerle wohnen
Autoren: Susanne Friedmann
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Kapitel 1 – Mein Bruder – Reiseführer und Dolmetscher
    Ein brüderliches Stoppschild, innere Vorbereitung der Expedition und erste Kontakte zu Eingeborenen
    Ja, wo laufen sie denn?
    Wo sind sie nur? Die coolen Kerle, die gut gereiften Typen, die wir Frauen mittleren Alters so schmerzlich vermissen? Das wollte ich wissen, als ich mich mit Mitte vierzig von meinem zwölf Jahre älteren Mann trennte und hoffnungsvoll nach potentiellen Partnern Ausschau hielt, die etwa in meinem Alter waren. Doch was für eine Enttäuschung! Die Typen wirkten, zumindest auf den ersten Blick, kein bisschen vitaler, smarter oder attraktiver als der ältere Ex – eher im Gegenteil.
    Sie hatten zu weiche Bäuche und zu dünne Arme. Sie drückten sich in der Buchhandlung an mir vorbei, als ich mir ungestört einen Tantra-Bildband anschauen wollte, und blätterten nervös in Ratgebern wie »Bauch weg in vier Wochen« oder »Laktosefrei glücklicher leben«. Sie joggten mit hochroten Köpfen durch den Park, während ich den Eichhörnchen zusah, die sich beim Liebesspiel leichtfüßig durch die Wipfel jagten.
    Wenn ich durch die Stadt bummelte, erblickte ich Midlife-Männer in den Fenstern der Fitnessstudios, die wie Fische im Aquarium zappelten. In der S-Bahn entdeckte ich überraschend viele, die sich, genau wie ich, mehr oder weniger geschickt die Haare färbten – fand aber, dass es mir wesentlich besser stand.
    Meine Tochter berichtete, dass in den Clubs, die sie besuchte, »so alte Säcke über vierzig« an der Bar herumhingen, den Mädels beim Tanzen zuschauten, anzügliche Komplimente machten und jede Menge Drinks spendierten.
    Und wenn ich am Sonntagmorgen im Café frühstückte, saß garantiert ein Exemplar dieser Spezies am Nachbartisch, vertiefte sich in Notebook oder Zeitung, würdigte mich keines Blickes und bestellte bei der jungen Bedienung mit dem Wahnsinns-Dekolleté einen Prosecco nach dem andern – bevor es auf Bier umstieg.
    Natürlich tauschte ich diese Beobachtungen mit meinen Freundinnen aus. Sofort sprudelten auch sie mit Storys über Männer in der Lebensmitte los, und zwar mit einem solchen Druck in der Leitung, dass es für viele Mädelsrunden mit hohen und – zugegeben – giftgrünen Gischtfontänen ausreichte.
    Vom Primaten zum Pantoffeltierchen?
    Schon bald hatten wir aus diversen Fallbeispielen eine Art Muster herausdestilliert: Die Männer vollzogen offenbar eine Rückwärts-Evolution. Als hochentwickelte Primaten waren sie in die Beziehungen zu uns Frauen eingestiegen (als Alphamännchen, Platzhirsch, Kuschelbär oder Hengst), doch ab vierzig entwickelten sie sich zügig zurück; wurden erst zu Amphibien (Molch, Frosch oder Unke), dann zu sogenannten Wirbellosen (Plattwurm, Pantoffeltierchen, Amöbe), und manche kamen sogar wieder im anorganischen Bereich an (Bleiklumpen, Toastbrot, Jammerlappen). So dass man sie schleunigst loswerden musste – nicht ohne sie vorher ordentlich ausgewrungen zu haben, soweit das eben möglich war.
    Wir fanden das durchaus lustig, als reife, kluge und schöne Frauen darüber herzuziehen, wie die älter werdenden Männer »schwächelten«; uns gegenseitig in unserer Häme zu bestärken. Und grollten wir nicht zu Recht?
    Waren wir nicht mit gutem Grund wütend auf und enttäuscht von diesen Typen, die sich irgendwie weigerten, so zu sein, wie wir sie haben wollten? Frauensolidarität ist eine feine Sache, und nichts schweißt eine Gruppe stärker zusammen als ein gemeinsames Feindbild. Munter hetzte und hechelte ich mit.
    Gespräche im Geschwistermodus
    Bis eines Tages mein Bruder anrief. Er ist zwei Jahre älter als ich. Ein Midlife-Mann und, wie ich damals fand, meilenweit davon entfernt, ein cooler Kerl zu sein. Er war gerade voll in die Krise geschlittert. Die bislang schwerste seines Lebens. Er eröffnete mir, dass er sich von seiner zweiten, zehn Jahre jüngeren Frau trennen würde.
    Ich konnte es kaum glauben. Er hatte sein Familienglück immer so geschätzt, hatte es geschützt und gegen Anfeindungen und kritische Stimmen (auch meine) verteidigt. Nun wollte er ausziehen. Abhauen, sich aus dem Staub machen. Die Frau mit Kindern, Haus und Garten allein zurücklassen.
    »Auch du, mein großer Bruder!«, dachte ich augenrollend, holte tief Luft und machte ihm Vorhaltungen. Dass er auch nicht besser sei als die anderen Macker über vierzig. Diese mittelalterlichen Schlappschwänze, die durchs Land eierten, die nicht standhielten, ihre Position nicht verteidigten, die
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