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In der Hitze der Nacht

In der Hitze der Nacht

Titel: In der Hitze der Nacht
Autoren: Lynn Viehl
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Prolog
     
    23. Juni 1974
    Was zum Henker mache ich eigentlich hier?
    Marc LeClare hievte sich aus dem Schlamm und klopfte sich die Vorderseite seiner Kleidung ab. Etwas, das aussah wie vertrocknetes Spinnengekröse, hatte sich um seine Finger gewickelt. Er schüttelte es ab und stellte fest, dass es nur Spanisches Moos war. Der Gestank der schaumigen Schicht auf dem Sumpf stach ihm in die Nase, während das letzte Sonnenlicht durch das Blätterdach der Wacholder- und Eichenbäume schimmerte. Bald würde es dunkel werden, und er war allein.
    Allein, verloren und so wütend wie eine Schlange, auf die jemand getreten war.
    Louis Gamble und seine Verbindungsbrüder standen wahrscheinlich irgendwo an der Interstate, lachten sich allesamt krank über ihn und tranken das ganze Bier allein aus.
    Marc wischte sich das schmutzige Gesicht am Ärmel seiner ebenso schmutzigen Jacke ab. »Diesmal bringe ich sie um .«
    Zum Teil war es seine eigene verdammte Schuld. Sein Zimmergenosse hatte schon öfter solche Dinger mit ihm abgezogen, seit sie auf dem College waren, und spätestens als sie die Stadt verlassen hatten und ins Hinterland gebraust waren, hätte er merken müssen, dass etwas faul war. Aber er war sauer auf seine Mutter gewesen, weil sie ihn wieder einmal gedrängt hatte, einen Termin für die Hochzeit festzulegen, und ihm dauernd mit Klagen in den Ohren lag, weil er aus der Football-Mannschaft ausgetreten war. Auch die zwei Bier, die er mit Louis’ Hilfe auf ex getrunken hatte, hatten nichts genützt.
    Na los, trink aus. Deine Mama und deine kleine Freundin werden’s nie erfahren.
    Louishattesiealleüberredet,sichinseinenVanzuzwängenundeinenAusflugzumachen,unddannwarernachWestengefahren,indietiefsteProvinz,überSchotterstraßen,anTruck-StopsundBootsschuppenvorbei.MarchattesichüberhauptkeineGedankengemacht.Nichteinmal,alsderTransportermitteninderPampastehengebliebenwar,hatteerVerdachtgeschöpft.
    Zu viel Bier, zu wenig Grips.
    Scheiße, ich hab doch erst letztes Wochenende nach dem Öl geguckt. WieimmerhatteLouisseineMimikperfektbeherrscht,alsersichzuihmumdrehte. Geh doch mal raus und zieh den Stab raus, Marc. Ich schwöre, wenn auch nur ein einziges schwarzes Teilchen dranhängt, lass ich diesen Schrotthaufen in Flammen aufgehen. SeinFreundhattegewartet,bisMarcvor derMotorhaubestand.DannhatteLouiedenRückwärtsgangreingehauen,denMotoraufheulenlassenunddenKopfaus demSeitenfenstergestreckt,umihnlauthalszuverhöhnen. Immer noch dumm wie zehn Meter Feldweg. Bis später, LeClare.
    Er hätte an der Straße bleiben sollen. In ein paar Stunden wären sie zurückgekommen. Wie immer. Aber heute Abend hatte er keine Lust gehabt zu warten, und dann hatte er in den Sümpfen ein Licht gesehen. Er war betrunken genug, um zu glauben, wo ein Licht war, gäbe es auch ein Haus, und vielleicht ein Telefon, von dem aus er Louis anrufen konnte – und dann hatte er das Licht aus den Augen verloren und den Weg zurück zur Straße nicht mehr gefunden –
    Es knackte hinter ihm. Er fuhr herum, die Hände zu Fäusten geballt. »Scheiße, Louie, wo wart ihr Wichser denn? Ihr kriegt verdammten Ärger, mich einfach hier am Arsch der –«
    Es war nicht sein Mitbewohner, sondern ein junges Mädchen, das halb im Schatten stand und ihn aus riesigen dunklen Augen anstarrte.
    Sie war wie vom Donner gerührt, weil sie jedes schmutzige Wort gehört hatte, das er gerade gebrüllt hatte. »Äh, hi. Sorry, ich dachte du wärst – ich wollte dich nicht erschrecken .«
    Das Mädchen blieb, wo es war, und beobachtete ihn. Ihre nackten Füße waren schlammverschmiert, aber ihr schäbiges Kleid war sauber. Der Schweiß ließ ihren viel zu langen, dunklen Pony, der ihr über die Augen hing, noch dunkler wirken. Ihr Haar war zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden. In ihrer rechten Hand baumelte eine leere Flusskrebsfalle.
    Marcs Blick wanderte von der Falle zu den Knöpfen ihres Kleides gleich unterhalb ihres Schlüsselbeins. Nach den Wölbungen zu urteilen, die die Knopflöcher seitlich auseinanderdehnten, konnte sie alles zwischen dreizehn und sechzehn sein. Was ihm nicht in den Kopf ging, war, warum er das Gefühl hatte, sie zu kennen. Fast so, als wären sie sich schon einmal begegnet, aber andererseits auch nicht. Es war jedenfalls kein besonders beruhigendes Gefühl.
    Sie merkte, wo er hinstarrte, und wich misstrauisch einen Schritt zurück.
    »Warte .« Aus Angst, dass sie verschwinden könnte, machte er einen Satz die Böschung hinauf zu ihr
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