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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle
Autoren: Scott Westerfeld
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Bei ihr brannte immer noch Licht. Vermutlich fürchtete sie sich zu Tode, behielt ihre Fenster im Auge und fragte sich, was draußen lauerte.
    Er schlotterte und erwog, den Heimweg durch die Kälte auszulassen. Am Wochenende würde sein Dad nichts merken, und auf Jessicas Fußboden war es mit Sicherheit wärmer als in irgendeinem Graben. Er könnte früh am Morgen gehen, bevor sich im Haus irgendjemand rührte.

    Jessica hatte ihn gefragt, ob er mit zu ihr kommen wollte, fiel ihm ein. Sie hatte ihm etwas zeigen wollen. Vielleicht hatte sie aber auch einfach an einem sichereren und abgeschiedenen Ort mit ihm zusammen sein wollen. Sie hatten sich an diesem Abend kaum geküsst.
    „Mist“, sagte er leise, während er sich wünschte, er hätte daran gedacht, bevor er Jessica heimgeschickt hatte. Vermutlich hätte sie zugestimmt.
    Sie würde sich vielleicht freuen, wenn er an ihrem Fenster auftauchte.
    Nach einer langen, kalten Minute seufzte Jonathan und schob den Gedanken beiseite. Die geheime Stunde war vorbei.
    Hier war Flächenland. Mit jedem Klopfen am Fenster riskierte er, erwischt zu werden. Und Jessica würde dafür bezahlen müssen. Ihre Eltern würden ausflippen, wenn sie ihn hier entdeckten. Jonathan war sich ziemlich sicher, dass die Bullen seinen Namen erwähnt hatten, als sie Jessica nach Hause gebracht hatten. Er bezweifelte, dass er dort irgendwann willkommen war, schon gar nicht mitten in der Nacht.
    Er machte kehrt und entfernte sich mit zögernden, schmerzhaften Schritten. Wenn er flog, brauchte er von Jessica bis nach Hause keine fünf Minuten, aber mit der normalen Schwerkraft (und einem verstauchten Knöchel, da war er sich ziemlich sicher) würde er mindestens zwei Stunden unterwegs sein.
    In seinem dünnen Hemd zusammengekauert hielt er Ausschau nach Streifenwagen und machte sich auf den Heimweg.

1.19 Uhr morgens
3
    Der Traum kehrte wieder, angefüllt mit glühenden Drahtgeflechten, Feuerlinien, die Kugeln bildeten, wie die doppelt geschwungenen Nähte auf einem Baseball oder die gezwirbelte Schale einer Orange, die man in einer langen Spirale abpellt.
    Die Linien schwangen umeinander herum, leuchtende Schlangen, die sich um einen Strandball wanden und jede Nacht neue Kunststücke vollführten. Unablässig übten sie ihre Kombinationen, rastlos auf der Suche nach einem bestimmten Muster unter vielen anderen …

    Dess wachte schweißgebadet auf, obwohl es in ihrem Zimmer kalt war.
    Sie rieb sich mit abgekauten Daumennägeln die Augen und sah auf ihre Uhr. Verflucht. Es war nach Mitternacht; sie hatte die geheime Stunde schon wieder verschlafen.
    Dess schüttelte den Kopf. Normalerweise passierte ihr so etwas nicht. Selbst bei den seltenen Gelegenheiten, an denen sie vor Mitternacht zu Bett ging, wurde sie beim Übergang zur blauen Zeit vom Ruck und der plötzlichen Stille wach. Was hatte man von der geheimen Stunde, wenn man sie verschlief?

    Trotzdem hatte sie sie schon wieder irgendwie verpasst.
    Die feurigen Formen aus ihrem Traum pulsierten immer noch in Dess’ Kopf, ihr neuestes Projekt zermarterte ihr Hirn und forderte Antworten, die sie in den Datenfragmenten, die sie bisher zusammenkratzen konnte, nicht fand. Der Traum kam inzwischen jede Nacht und machte aus ihrem Hirn eine aufsässige Rechenmaschine, die in der Dunkelheit vor sich hin ratterte. Einige von den Bildern verstand sie allerdings inzwischen.
    Die Sphären stellten die Erde dar, jenen hübschen Spielball, an den die Menschheit gekettet war, bis auf Jonathan, den Glückspilz. Die leuchtenden Linien waren Koordinaten –
    Längengrade und Breitengrade und alle anderen unsichtbaren Geometrien, die Bixby wichtig machten. (Wobei die beiden Wörter eigentlich nicht zusammenpassten: Bixby und wichtig.
    Wer auch immer beschlossen hatte, diese Stadt zum Mittelpunkt der blauen Zeit zu machen, hätte öfter den Reisekanal einschalten sollen.)
    Dess runzelte die Stirn. Der Traum von heute Nacht hatte ein neues Bild in ihrem Kopf entstehen lassen: einen Ring aus leuchtenden Diamanten, die einen der Strandbälle in gemessenem Tempo umkreisten. Es waren vierundzwanzig an der Zahl, erinnerte sie ihr Gedächtnis – eine ziemlich darklingfreundliche Zahl. Aber was hatte das Bild zu bedeuten?
    Manchmal fragte sie sich, ob sie dieses Projekt aus der Bahn geworfen hatte. Vielleicht las sie zu viel über den Standort von Bixby.
    Dess schüttelte den Kopf. Die Ölbohrkarten ihres Vaters waren sehr exakt und Mathe log nie. Der Schnittpunkt von
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