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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle
Autoren: Scott Westerfeld
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frag mich, ob sie jemals was mit unseren Eltern angestellt hat.“
    „Melissa? Nee, ich bezweifle, dass sie sich mit meinem Dad abgeben würde. So viel Ärger hat er mir nie gemacht.“

    Sie nickte. „Schon, aber wie war das mit meinen Eltern, die mich plötzlich zu der Party gehen ließen … gerade als Rex mich da brauchte.“
    „Du hast aber immer noch Hausarrest, Jessica, jedenfalls an sechs Abenden pro Woche.“ Jonathan breitete seine Hände aus. „Würde sie dich nicht einfach ganz raushauen?“
    „Es sei denn, sie hat versucht, es geschickt anzustellen.“
    „Melissa? Geschickt?“ Jonathan lachte. „Komm schon. Wir können nicht bei jedem Gedanken im Kopf von irgendjemandem in Paranoia ausbrechen, oder?“
    „Sicher nicht.“ Sie seufzte. „Ich weiß nicht, warum ich so drauf bin. Vielleicht weil …“ Sie drehte sich zu ihm, und die Tränen, die Jessica schon den ganzen Tag aufgelauert hatten, verschleierten wieder ihren Blick. „Ich hab einfach noch nie jemanden sterben sehen.“
    Er legte seinen Arm um sie. „Ich auch nicht.“
    „Sie war ungefähr so alt wie Beth, als sie sie geholt haben.“
    „Ach ja.“
    Sie schüttelte den Kopf, wiederholte die Worte, die ihr seit Stunden durch den Kopf gingen. „Tut mir leid.“
    „Weil du weinst? Muss es nicht. Aber …“ Jonathan kaute auf seiner Lippe, was bedeutete, dass er nichts Falsches sagen wollte.
    „Sag schon.“
    „Das war schlimm, was sie mit Anathea gemacht haben, aber das war vor dreiundfünfzig Jahren, wie etwas aus einem alten Zeitungsausschnitt. Für mich ist das, als ob das Mädchen, das wir letzte Nacht gesehen haben, ein Geist gewesen ist, und wir haben ihr endlich zur Ruhe verholten.“
    Jessica sah zu dem dunklen Mond hoch. Seit Neustem tat es ihr nicht mehr so weh, ihn anzusehen. Vielleicht wurde sie mehr zu einem Midnighter. „Ich schätze, das ist eine Möglichkeit, an sie zu denken, wie an einen Geist, der jetzt frei ist.“
    „Außerdem hast du Rex gerettet, damit die gleiche Sache nicht noch mal passiert.“
    Sie drückte seine Hand. „Und dabei hatte ich Hilfe.“
    „Stell dir einfach den alten Opa Grayfoot vor, wie er dastand, als die geheime Stunde vorbei war. Sieht auf ein Mädchen hinunter, das gekidnappt wurde, als er ein Junge war.
    Womöglich ist er an einer Herzattacke gestorben.“ Jessica zuckte zusammen, sie wollte sich nichts dergleichen vorstellen.
    Sie wollte nicht, dass irgendjemand starb, das wusste sie jetzt.
    Niemals. Sie war froh, dass die anderen drei heute Nacht bei Madeleine waren – Melissa, die sich in der Kontorsion versteckte, um das Geheimnis des Ortes zu hüten, Dess, die daran arbeitete, das Haus darklingsicher zu machen, Rex, der sich an die Arbeit machte, das Archiv zu durchforsten, um die Lehre zu erweitern und vielleicht eines Tages etwas zu finden, womit sie alle in der Midnight für immer sicher sein konnten.
    „Tut mir leid“, sagte Jonathan, der gespürt hatte, dass sie sich entzog.
    Jessica schüttelte leicht den Kopf und sah über die Straße hinweg zu den Büschen, wo sich Ernesto Grayfoot mit seiner Kamera versteckt hatte. „Ich kann nicht glauben, dass es erst eine Woche her ist, seit mein Stalker aufgetaucht ist.“
    „Genau, stimmt.“ Jonathan lachte. „Da sieht man, wie viel man schaffen kann, wenn der Tag eine Stunde mehr hat.“
    Sie lächelte matt. „Ja. Und was andere mit einem anstellen können.“
    Sie schwiegen eine Weile. Der dunkle Mond ging vor ihren Augen unter, bis Jessica sich traute, ihn zu fragen. „Ich will nicht allein sein, Jonathan. Dauernd sehe ich Anathea, tot, dort, wo wir sie liegen gelassen haben.“

    Er nahm wieder ihre Hand. „Ich bin direkt neben dir.“
    „Ich meine heute Nacht. Später.“
    Jonathan sah zu ihr auf. „Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist? Deine Eltern …“
    „Schlafen fest“, sagte Jessica. „Mom hat den ganzen Tag gearbeitet, und Dad hat den Garten umgegraben. Er wird von jetzt an unser ganzes Gemüse anbauen, sagt er.“
    Jonathan lachte. „Besser als arbeiten, schätze ich. Klar bleibe ich bei dir.“
    „Die Sache hat bloß einen Haken.“
    „He, kein Problem. Ich schlafe auf dem Boden.“
    „Nein, tust du nicht“, sagte Jessica leise. „Der Haken ist …
    ich will, dass du jemanden kennenlernst.“
    Neunzig Sekunden vor Ablauf der geheimen Stunde landeten sie unter ihrem Fenster. Jessica zog sich hinein und streckte ihre Hand nach Jonathan aus. Er humpelte immer noch von den Gleiterbissen
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