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Das Dunkle

Das Dunkle

Titel: Das Dunkle
Autoren: Scott Westerfeld
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(Manchmal lohnte es sich, wenn man einen Vater hatte, der sich schon immer einen Sohn gewünscht hatte.)
    Der Wind pfiff eisig heute Nacht, ein tiefes, unaufhaltsames Stöhnen, begleitet vom Geklapper irgendeines losen Fensterladens auf dem Wohnwagenpark hinter dem Feld. Glücklicherweise gab es überall im Haus genügend zufällige Geräusche, um den Lärm zu überdecken, den sie möglicherweise verursachen würde.
    In der Mitte des Wohnzimmers stand ein großer, flacher Behälter, dessen Metalloberfläche rostige Metallkreise mit dem exakten Umfang einer Pabst-Blue-Ribbon-Bierflasche zierten.
    Zwischen dem Leergut und den Kronkorken mit ausgedrückter Zigarettenasche gab es eine Reihe präzise angeordneter Fernbedienungen, die sie kaum berührte. Dess hatte von Kindesbeinen an für ihre Eltern die Steuererklärung ausgefüllt und ihre Rechnungen bezahlt. Den Videorekorder zu programmieren lehnte sie aber ab.
    Während der vergangenen Woche hatte sie sich bereits durch die oberen drei Schubladen mit Karten durchgearbeitet, weshalb sie nun die vierte von oben vorsichtig auszog. Der muffige Geruch nach Rohöl entwich, jener Duft, der ihren Dad in einem bestimmten Teil ihres Hirns verankerte und die schwarzen Halbmonde vor ihr geistiges Auge rief, die unter seinen Fingernägeln nie fehlten.
    Die Ränder der Karten rollten sich auf, als ob sie bei ihrem Anblick grinsen müssten.
    „Hallo, meine Schönen“, flüsterte sie, dann kniff sie im Dämmerlicht die Augen zusammen. „Wer um alles in der Welt bist du denn?“
    Die Mitte der Karten beschwerte ein unbekanntes kleines Gerät, etwa von der Größe einer Zigarettenschachtel. Es sah neu aus, ohne die Ölflecken und angeschlagenen Ecken, die das Zeug ihres Vaters meist kennzeichneten. Für kurze Zeit vermutete sie eine neue Fernbedienung, mit der sich vielleicht ein industriell gefertigtes Fernsehgericht anfordern ließ.
    Aber dann nahm sie es in die Hand und sah das Kompasszeichen über dem kleinen, schwarzen Display, während sie mit einem Blick die zahlreichen winzigen Tasten darüber erfasste.
    „Scharf.“ Ihr neues Traumbild kam ihr wieder in den Sinn: der Ring aus vierundzwanzig leuchtenden Diamanten, in gleichmäßigem Abstand über dem Äquator angeordnet, von wo aus sie Strahlen aussandten, die sich auf der Erdoberfläche zu Dreiecken einklinkten.
    Sie fuhr mit den Fingern über das Gerät und wusste auf einmal, was die Diamanten darstellen sollten – geostationäre Satelliten, die jeweils für immer über einem Punkt des Plane-ten schwebten und von dort den ganzen Tag GPS-Signale sendeten.
    Dess drückte den Einschaltknopf, und das kleine Display erwachte zum Leben.
    360 16,41320’ N
    960 51,21380’ W
    „Da schau her!“
    Die Koordinaten rasten Dess durch den Kopf, warfen ein leuchtendes x und y auf eine wohlbekannte Karte aus der zweiten Schublade von oben. Sie waren bekannt, aber wesentlich präziser als alles, was sie von den kleinen Ziffern am Rande der Karte ablesen konnte: Das Gerät verriet ihr die Position ihres Hauses. Des Wohnzimmers, genau genommen, präzise wie ein Maßband.
    Schluss mit dem Supercomputer – das hier war das Gerät, das sie brauchte. Ein kleines Teufelchen, das immer genau wusste, wo es war, und ihr all die Zahlen verraten würde, die sie brauchte, um den Code der blauen Zeit zu knacken.
    Dess starrte gierig auf das Gerät, ihr rechter Daumennagel klemmte zwischen ihren Zähnen. Es gab nur ein Problem: Wie sollte sie es borgen? Das Ding würde in der geheimen Stunde nicht funktionieren – auch nicht, wenn Jessica es mit ihrem Flammenbringervoodoo aufladen würde. Ein einzelner GPS-Empfänger war wertlos ohne die vierundzwanzig Satelliten, die draußen im Weltall vor sich hin sendeten. Dess würde es in der normalen Zeit benutzen müssen.
    Und das war tückisch, es sei denn …
    Dess schluckte. Ganz sicher hatte ihr Vater das hier nicht gekauft. Er würde kein gutes Biergeld für ein Spielzeug ausgeben. Er war jetzt Vorarbeiter; die Firma musste es ihm einfach gegeben haben. Möglicherweise benutzte er es nicht einmal.

    Dad konnte schicke Technologien jeglicher Art nicht ausstehen, solange man damit keine Footballszenen wiederholen konnte.
    Sie sah wieder auf die leuchtenden Ziffern hinab.
    „Hübsch …“, flüsterte sie. Und schließlich war GPS-Empfänger ein Tridecalogism, hatte genau dreizehn Zeichen, wenn man den Bindestrich mitrechnete!
    Schlimmstenfalls musste sie den GPS-Empfänger sorgfältig verstecken und
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