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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter
Autoren: Murat Topal
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endgültigen Entscheidung lebten wir in einem verlässlichen Rhythmus aus Wassereinbruch, Abpumpen und Bautrockner aufstellen. Die riesigen Trockner sollten Schimmelbefall und andere Feuchtigkeitsschäden verhindernund mussten vierundzwanzig Stunden am Tag in Betrieb gehalten werden. Abgesehen davon, dass sie eine horrende Miete kosteten, erwartete mich am Jahresende eine Stromrechnung in der Größenordnung des europäischen Rettungsschirms.
    Abends hatte ich ebenfalls keine Ruhe. Seitdem mein Wohnparasit wusste, dass sich unsere WG-Zeit ihrem Ende näherte, war er ungeheuer anhänglich geworden. »Herr Topas« hier, »Herr Topas« da, das Schleimen nahm kein Ende. Auch in Britz arbeitete er plötzlich wie ein Tier und war immer vorneweg. Baba wurde schon langsam eifersüchtig, weil Kosewitz ihm die ganze schöne Arbeit wegnahm. Ich ließ mich davon nicht beeinflussen und blieb so unfreundlich wie irgend möglich. Vor allem machte ich ihm ständig Druck und erkundigte mich bei jeder Gelegenheit, wann er denn endlich ausziehen würde. Seine Antworten waren so unbestimmt, wie sein gesamtes Dasein undurchsichtig blieb. Aus Notwehr beschloss ich, in seinem Namen eine Wohnungsanzeige zu schalten, fand jedoch einfach nicht die Zeit dafür. Gleichzeitig kam ich durch das pausenlose Krisenmanagement nie dazu, den anstehenden Umzug vorzubereiten. Eine Woche vor dem unvermeidlichen Rauswurf funkte ich SOS.
    Pfleiderer rief sofort zurück. »Was soll ich für Sie tun?«
    »Keine Ahnung. Sagen Sie den Briten, ich springe aus dem Fenster und mache sie in einem Abschiedsbrief an die Medien dafür verantwortlich.«
    »Glauben Sie ernsthaft, dass die das juckt? Das ist ein internationaler Konzern. Auf eine Leiche mehr oder weniger im Keller kommt es denen nicht an.«
    »Vermeiden Sie bitte das Wort ›Keller‹. Warum fragen Sie überhaupt mich, was Sie tun sollen?
Sie
sind mein Berater. Also: Was soll ich tun?«
    »Bieten Sie Geld.«
    »Perfekt. Ich biete Geld.«
    »Woher wollen Sie das nehmen?«
    »Keine Ahnung. Woher soll ich es nehmen?«
    »Von Schmuh & Sohn.«
    »Genau. Von wem sonst?«
    Das Treffen mit Old Schmuh und seinem Bodengutachter fand an einem Mittwochvormittag um zehn Uhr statt. Am Tag zuvor hatten wir eine weitere Trocknerphase beendet. Direkt danach – wie hätte es anders sein können? – hatte es sofort wieder angefangen, aus Kübeln zu gießen. Ich hatte komplett vergessen, wie schwabblig Herrn Marvins Händedruck war und wie schwammig sein Profil. Hatte ich ernsthaft geglaubt, dass ein puddinghaftes Nichts wie er auch nur eine Spur von Sachverstand mitbringen würde? Nach meinem Empfinden hätte der Showdown zwischen den Guten, also uns, und den Bösen, natürlich Schmuhs, zwei Stunden später auf einer staubigen Landstraße in der Prärie stattfinden müssen. Aber mit seinen kleinen Tippelschritten hätte es mein Anwalt wahrscheinlich nicht rechtzeitig in den Wilden Westen geschafft.
    Stattdessen saßen wir uns also wortlos an Pfleideres Besprechungstisch gegenüber und beäugten uns misstrauisch. Es war Schmuh, der das angespannte Schweigen brach.
    »Eines gleich vorweg. Mein Erscheinen ist kein Schuldeingeständnis. Wasserschäden können viele Ursachen haben. Ich höre mir lediglich unvoreingenommen Ihre Meinung an und werde danach bei Bedarf meine Rechtsbeistände gegen Sie in Stellung bringen.«
    »Um Sie geht es gar nicht. Ich habe Fragen an Ihren Bodengutachter.«
    Ich bewunderte, wie mein Advokat gleich mit seinem ersten Satz einen Pflock zwischen meine beiden Gegner trieb. Die das offenbar gar nicht bemerkten.
    »Herr Marvin. Sie haben Herrn Topal die Nutzung einer sogenannten weißen Wanne empfohlen?«
    »Richtig.« Der Mann klang schwer selbstmordgefährdet. »Und ich würde es jederzeit wieder tun. Es endet sowieso alles in Tränen.«
    Da sagte er allerdings etwas, das ich sofort unterschrieben hätte. Pfleiderer dagegen ließ sich auch von melancholischen philosophischen Einsichten nicht vom Weg abbringen. »Gehe ich recht in der Annahme, dass weiße Wannen den sogenannten schwarzen meist deswegen vorgezogen werden, weil der Einbau leichter und der Kostenaufwand geringer ist?«
    »Quatsch.« Der Gleisbauchef war deutlich aufgeweckter als sein Angestellter und merkte sofort, dass die Weichen in eine für ihn falsche Richtung gestellt wurden. »Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile und sind gleichermaßen sinnvoll.«
    »Sie waren zwar nicht angesprochen, aber bitte. Ich stelle meine Frage
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