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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter
Autoren: Murat Topal
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bräuchte. Um Mamas Märchen nicht auffliegen zu lassen, antwortete ich vage: »Bald, Levin, Babi hat noch nicht genug neue Witze geschrieben.« Ich drückte mir die Daumen, dass mein Kleiner all die Knüllergags, die ich angeblich gerade ausbrütete, nicht eines Tages wirklich hören wollte. Er war in der Vergangenheit ohnehin schon oft genug enttäuscht gewesen, wenn ich keine neuen Scherze für ihn parat hatte. Laut Ann-Marie war sein Vater nämlich von Beruf Witzemacher. Das war zwar nicht völlig verkehrt. Ich fand diesen Begriff allerdings ein bisschen despektierlich und vermutete dahinter, sicher nicht ganz zu Unrecht, eine von meiner Schwiegermama in die Welt gesetzte kleine Spitze. Meine Schwiegereltern verhielten sich in unserem kalten Ehekrieg im Übrigen schweizerisch neutral. Zumindest fiel mir gegenüber kein böses Wort. Ob sie bei ihrer Tochter Stimmung gegen mich machten, konnte ich natürlich nicht beurteilen. Ich war mir jedoch so gut wie sicher, dass dies – wie umgekehrt bei meinen Eltern auch – nicht der Fall war.
    Um bei der Rückeroberung meiner Frau nichts zu riskieren, musste das Versöhnungstelefonat akribisch vorbereitet werden. Ein unbedachtes Wort oder eine falsche Argumentation, und die Chance auf Versöhnung wäre womöglich unwiederbringlich dahin. In dieser Herzenssache durfte ich nichts dem Zufall überlassen. Also entschloss ich mich, das Gespräch noch ein paar Tage aufzuschieben und zunächst eine Strategie zu entwickeln, die mich ans Ziel, zurück in Ann-Maries Arme, bringen sollte.
    »Baba, komm, ich fahr dich nach Hause«, bot ich meinem Vater an.
    »Müssen wir erst Gerd und Koswizz aus Keller holen.«Da hatte er recht, die beiden hatte ich in meinem Hormonrausch ganz vergessen.
    Da Gerd nur ein paar Häuser von meinen Eltern entfernt wohnte, stieg Baba dann doch in dessen frauenbewegten Flieder-Twingo. Kosewitz, der seinen verbeulten Astra aus Mangel an Benzingeld mittlerweile gegen ein ramponiertes Fahrrad eingetauscht hatte, blickte skeptisch in den Abendhimmel. »Dit jießt jleich«, orakelte er. Mit der Prognose lag er im Trend, denn der Wetterbericht hatte für die Nacht starke Regenfälle angekündigt. Petrus hatte es schon die ganzen letzten Wochen nicht gut mit uns gemeint: Die Niederschlagsmenge war für die Jahreszeit viel zu hoch. Mir war schon klar, worauf mein WG-Genosse mit seiner Bemerkung hinauswollte.
    »Stellen Sie das Rad im Keller unter. Ich nehme Sie mit, ich habe eh mit Ihnen zu reden.« Schließlich musste ich ja noch meine nächtens verfasste To-do-Liste abarbeiten.
    »Herr Kosewitz«, begann ich vorsichtig, denn selbst wenn er mir in unserer gemeinsamen Zeit nicht unbedingt ans Herz gewachsen war, wollte ich ihn doch nicht kränken, »Sie wissen ja sicher noch, dass ich aus der Neuköllner Wohnung rausmuss.«
    »Klar, Herr Topas.« Unfassbar, dass er mich immer noch so nannte. Guckte er nie auf mein Klingelschild? »Wann isset denn so weit?«
    »In drei Wochen.«
    »Ach je, dann muss ick ja bald wieder in Ihren Keller.«
    Ich trat hart in die Eisen und hatte verdammtes Glück, dass mir niemand ins Heck knallte. Dann fuhr ich scharf rechts ran.
    »Herr Kosewitz, hören Sie gut zu: Die nächsten drei Wochen können Sie noch in meinem Ehebett bleiben, aber in der Zwischenzeit suchen Sie sich gefälligst eine neue Wohnung.Auf gar keinen Fall werden Sie wieder in meinen Keller ziehen!«
    »Aba, Herr Topas …«
    »Verdammt noch mal, ich heiße Topal, nicht Topas. Und nix ›aber‹. Das hier ist eine Ansage.«
    Kosewitz sah aus wie ein geprügelter Pinscher. Schlimm, dass man mit einem erwachsenen Menschen reden musste wie mit einem Fünfjährigen. Wütend über seine anmaßende Vorstellung, auf ewig mein Kostgänger bleiben zu können, strafte ich ihn den Rest des Abends mit Nichtachtung. Als ich gegen ein Uhr nachts endlich einschlief, war ich im Traum noch so geladen, dass die Bettdecke diesmal nicht als Liebes-, sondern als Sparringspartner herhalten musste.
     
    Am nächsten Morgen weckte mich das ununterbrochene Vibrieren meines Handys. Verschlafen zog ich es an mein Ohr. Es war Baba.
    »Murat, musst du sofort kommen. Keller komplett unter Wasser.«
    Vor Schreck fiel ich von der Couch. »Waaas?«
    Ich zerrte den ebenfalls noch völlig verschlafenen Kosewitz aus dem Bett und zwang ihn spitz nach Britz.
    Dort war die Lage verheerend. Das Wasser stand mindestens dreißig Zentimeter hoch, und das abends untergestellte Fahrrad war über Nacht zum
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