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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter
Autoren: Murat Topal
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erkundigte, machte weiteren Überlegungen ein Ende. Sie war nicht ganz mein Typ, aber als Ratgeberin tadellos.
    Ich: »Was empfehlen Sie in Richtung abstrakte Malerei?«
    Sie: »Welche Maße?«
    Ich: »Je nach Raumgröße.«
    Sie: »Nehmen Sie Kandinsky. Den können Sie ohne Qualitätsverlust beliebig zurechtschneiden.«
    Der Tipp war unschlagbar. Blöd ist nur, dass mich die Bilder depressiv machen, weil sie mich an die Unordnung in meinem Leben erinnern.
    Aber heute ist nicht der Tag für Trübsinn, heute wird gefeiert. Ich setze mir die rosarote Brille auf und gehe nach draußen. Da ist die Fete schon in vollem Gange. Dirk schwingt Gerds Lila-Pause-Twingo in relaxtem Reggaerhythmus auf der Schaufel seines Kramer 350 und bewundert Baggergott Wladimir, der im Vampirskostüm mit dem Bankster Feuchtleben einen gekonnten Pas de deux auf den Rasen legt. Deutschlands Superanwalt Pfleiderer diskutiert dort, wo in unserem Garten einst das Musterstück einer Eiche stand, angeregt mit seinem Alter Ego, dem internationalen Toparchitekten Pfleiderer. Selbst die Schmuh-Bande hat eine perfekte Village-People-Choreographie entwickelt und dreht sich manisch um sich selbst, während Muscle-Shirt-Schneider dazu passende Beschimpfungen rappt. Der Einzige, der sich nicht amüsiert, bin ich. Es ist unverzeihlich, aber ich bin heute eine widerliche Spaßbremse. Ich bin einsam, bin verlassen, bin verloren und sehne mich zurück nach den glücklichen Tagen mit Ann-Marie in unserer Neuköllner Liliputkemenate.
    »Oğlum, Gülückwünsch«, reißt mich Baba aus meinen schwermütigen Gedanken. »Haben wir kleines Geschenk für großes Baumeister.« Er drückt mir ein Päckchen in die Hand, das mit einer Kopie des von uns beiden im Krankenhaus rauschhaft angefertigten Grundrisses eingewickelt ist.
    »Mach es ruhig auf«, ermuntert mich Anne und umarmt mich.
    Wohlerzogen reiße ich das Papier auf und finde – ein türkisches Kochbuch.
    »Damit man als Gast bei euch vielleicht mal was Genießbares serviert bekommt«, zwinkert sie.
    Auch wenn ich es schon lange weiß: Ich habe die besten Eltern von allen. Und die besten Schwestern. Denn auf ihren Schultern balancieren meine beiden Augensterne, Anlass und Trost meiner schlaflosen Nächte.
    »Baba«, brabbelt meine kleine Tochter. Kaum elf Monate alt und schon hochbegabt.
    Ihr terroristisch veranlagter Bruder bewirft mich währenddessen mit Brotkügelchen und krakeelt: »Babu, erzähl neue Witze!«
    Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so glücklich war.
    »Muratle, i find besonders schee, dass du di inzwische mit dem Pfleiderer so gut verstehscht«, präsentiert Gisela ihre ganz eigene Sicht der Dinge.
    »Moment mal!«, kommt es mir in den Sinn. »Ein Schwabe kommt doch selten allein?«
    »Richtig, Murat«, bestätigt mein harmoniebedachter Schwiegerpapa. »Und a Schwäbin erscht recht net.«
    Und da steht sie. Strahlend schön wie immer. Meine Seelen-, Herz- und Traumfrau. Sie macht drei Schritte auf mich zu, wir fassen uns an den Händen und sehen uns tief in die Augen. Ich kann sie riechen. Sie riecht verdammt gut, nach Liebe, Meer, Glück und ... Ann-Marie eben. Sie lächelt verlegen.
    »Murat, ich bin schwanger.«
    Selig schließe ich sie in die Arme und flüstere: »Für vier wäre unser Haus auch wirklich zu groß.«
    »Wieso vier, Herr Topas? Zähl ick etwa jar nich? So wat hab ick ja noch nie erlebt!«

Informationen zum Buch
     
    »Fenster werden ja komplett überschätzt.« Spätestens, als Murat diesen Satz von seinem Bauleiter hört, fragt er sich, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat. Vielleicht hätte trotz des Babys die Zweizimmerwohnung gereicht? Aber wie sagt sein schwäbischer Schwiegervater immer: Warum ein altes Haus kaufen, wenn man ein neues bauen kann? Eben! Murat beschließt, all jene eines Besseren zu belehren, die meinen, wer knietief im Dispo watet, sollte nicht nach den Sternen greifen. doch Hausbau und Wahnsinn liegen nah beieinander.
     
    Murat Topal, „der Star am Comedy-Himmel“ (Welt) und stolzer Eigenheimbesitzer, berichtet vom (Alp-)Traum eines Familienvaters, seinen Lieben ein Haus zu bauen.

Informationen zum Autor
     
    MURAT TOPAL, geboren 1975 in Berlin, hat zehn Jahre lang als Polizist in Kreuzberg gearbeitet, bevor er sich ganz dem Dasein als Comedy-Künstler verschrieb. Seitdem ist er mit verschiedenen Soloprogrammen erfolgreich, tritt regelmäßig im »Quatsch Comedy Club«, bei »Nightwash«, »Quiz Taxi« und in anderen
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