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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter
Autoren: Murat Topal
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anders. Herr Marvin, ist nicht ein gravierender Nachteil der weißen Wanne, dass sie nicht dampfdicht ist und deswegen die Bodenfeuchtigkeit nach innen abgegeben wird?«
    »Das ist so nicht richtig. Schließlich kann man zum Beispiel Dampfsperren einbauen. Das Gutachterdasein ist komplex und verwehrt sich einfachen Lösungen.«
    »Sehr tiefsinnig, aber warum hat dann der von mir beauftragte Gegengutachter, nebenbei gesagt eine anerkannte Koryphäe seines Fachs, dringend empfohlen, wegen der starken Lehmhaltigkeit des Bodens die weiße durch eine schwarze Wanne zu ersetzen?«
    »Weil auch Curry-Feen Menschen sind und daher fehlbar«, gab der Brückenkönig zu Protokoll, dem man an seinen zittrigen Händen ansah, wie gern er sich in dieser Situation eine Zigarre angesteckt hätte.
    »Lieber Herr Schmuh, es ehrt Sie, dass Sie zu jedem Thema eine Meinung haben. Aber noch spreche ich mit Ihrem Mitarbeiter. Was also meinen
Sie
zu der Einschätzung Ihres Kollegen, Herr Marvin?«
    »Die Beurteilung eines Kollegen steht mir nicht zu, denn der Beruf des Gutachters ist schwierig und voller Fallstricke. Aber jeder Experte wird Ihnen auf Nachfrage bestätigen, dass eine fachgerecht verlegte und gut verfugte weiße Wanne den Besonderheiten der hier vorliegenden Bodenverhältnisse unbedingt genügt.«
    Das war Wasser auf Pfleiderers Mühlen. Marvins Statement war offenbar die Aussage, auf die er hingearbeitet hatte. »Genau
das
hat mir Ihr Kollege bereits bestätigt. Er ergänzte aber, dass in solchen Fällen besondere Anforderungen an die Präzision und handwerkliche Fähigkeit der ausführenden Firma gestellt werden. Was mich direkt zu Ihnen bringt, Herr Schmuh. Sie haben mit dieser komplizierten Aufgabe die Firma Aldisan beauftragt. Wussten Sie, dass dieses Unternehmen einen sagenhaft schlechten Ruf hat und bereits in zahlreiche Schadensersatzprozesse verstrickt ist?«
    »Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen. Aldisan ist ein qualifizierter, bei der Handwerkskammer registrierter und zertifizierter Fachbetrieb mit Meisterbrief.«
    »Ich sage Ihnen, worauf ich hinauswill. Das einzig Qualifizierte an Aldisan sind meiner Erkenntnis nach die jeder seriösen Kalkulation spottenden Dumpingpreise. Wenn ich eine solch dubiose Firma mit einer, wie Herr Marvin bestätigte, hochkomplexen Arbeit betraue, nehme ich Folgeschäden billigend in Kauf. Verstehen Sie, was ich meine, Herr Schmuh? Ich gebe Ihnen hier und heute die Gelegenheit, sich mit Herrn Topal auf einen finanziellen Ausgleich für die durch Ihre unsachgemäße Beauftragung entstandenen Schäden zu einigen. Sollten Sie davon nichts halten,können wir die Sache auch vor Gericht ausfechten. Ich schwöre Ihnen: Das wird für Sie um ein Vielfaches teurer.«
    Mir war nicht klar, ob mein Anwalt schamlos bluffte oder ob er wirklich ein so gutes Blatt in der Hand hatte, wie er vorgab. Schmuh ging es wohl ähnlich. Ratlos kratzte er sich am Kopf. Dann sagte er: »Sie können mir viel erzählen. Wir gehen jetzt draußen eine Zigarre rauchen und rufen bei der Gelegenheit unsere Anwälte an. In einer halben Stunde setzen wir das Gespräch fort. Kommen Sie, Herr Marvin.«
    Als unsere beiden Widersacher nach der Raucherpause in neuer Frische den Raum betraten, wirkten sie überraschend entspannt.
    »Also gut, wenn Sie keine überzogenen Forderungen stellen, einigen wir uns außergerichtlich. Bitte verhandeln Sie die Details mit unserer Anwaltskanzlei Parah, Graf & Partner. Der Schadensersatz muss eh von Aldisan übernommen werden, höch, höch, höch.« Sympathisch wurde mir der alte Betonkopf in diesem Leben nicht mehr.
    Nachdem wir also die »Baustelle Schadensersatz« geschlossen und die Briten mir gegen eine saftige Ausgleichszahlung eine letzte Schonfrist eingeräumt hatten, näherte sich mein Hausabenteuer einem halben Happy End, denn: Nach fast vernachlässigenswerten fünf Monaten Wartezeit bequemte sich die Firma Himmelszelt endlich, das lang vermisste Dach zu decken. Es passte, sah gut aus und – es hielt dicht.
    »Ist Dach vom Fach«, meinte Baba zufrieden.
    Zwar waren trotzdem noch Unmengen an Kleinigkeiten zu erledigen, mussten die besagte schwarze Wanne nachgerüstet und die Wasserschäden beseitigt werden, aber ich sah das legendäre Licht am Ende des Tunnels. Nun wurde es allerhöchste Zeit, endlich mein Privatleben wieder in Ordnung zu bringen. Oder sollte dieses etwa, wie von Herrn Marvin so unheilvoll prophezeit, in Tränen enden?

19. Kapitel

Nachspiel
     
     
    Schon
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