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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten
Autoren: Robin Wasserman
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und ich experimentierte damit, ihm zu vertrauen, wenigstens ein bisschen. Die Fidei Defensor hatten einen langen Arm und sie schuldeten uns was.
    Da das Lumen Dei ein für alle Mal zerstört war, stellte ich für die Fidei Defensor oder die Seele der Welt keine Gefahr mehr dar. Eli hatte sie davon überzeugt, dass Adriane und ich nicht so dumm waren zu glauben, dass uns irgendwer diese Geschichte abnehmen würde. Die Polizei würde eine andere Geschichte bekommen, in einem hübschen, kleinen Paket zusammen mit dem perfekten Täter. Die Hleda č i waren wie die meisten Fidei geflohen, sobald die Polizei aufgetaucht war, und niemand ging davon aus, dass sich einer von ihnen an eine weltliche Instanz wenden würde. Sie waren zerschlagen und ihres Ziels beraubt worden. Und ich interessierte sie inzwischen vermutlich gar nicht mehr. Es war vorbei. Wir würden nach Hause zurückkehren, zurück zu unseren Familien und zu unserem Leben, wir würden…
    Tja. Da war ein Problem, dass die Fidei nicht lösen konnten.
    Ich musste es noch ein letztes Mal sehen. Die bröckelnden Überreste der Kirche, deren Knochen aus der Pestzeit jetzt den Elementen schutzlos ausgesetzt waren, deren Friedhof mit Aschehaufen bedeckt war. Die Knochen hatten uns gerettet. Die Knochen und Elizabeth. Sie hatte geschrieben, dass die Hleda č i – oder wer auch immer ihre Vorläufer gewesen waren – sie zu einer Kirche gebracht hatten, die nach vermodernden Schädeln roch, einer Kirche, die am Fluss Vrchlice lag. Irgendwie hatte ein benommener, fast von einer euphorischen, patriotischen Menge totgetrampelter Eli trotz seines Brummschädels die Puzzleteile zusammengesetzt und die Fidei Defensor dazu überredet, mit ihm zum Sedletz-Ossarium zu fahren, das außerhalb der Stadt Kutná Hora lag, am Ufer des Flusses Vrchlice. In dem Beinhaus ruhten die sterblichen Überreste von siebzigtausend Pestopfern, die sechshundert Jahre alt waren. Und jetzt nur noch ein Haufen Asche. Es war nur eine Vermutung gewesen, hatte er gesagt. Wir hatten Glück gehabt.
    Es fühlte sich nicht so an.
    Â»Woher hast du gewusst, was passieren würde?«, fragte mich Adriane leise. Bis auf die Ja- und Nein-Antworten, die sie der Polizei gegeben hatte, war es das Erste, was sie seit dem Brand gesagt hatte. Die meiste Zeit hatte sie geweint. Ich versuchte nicht, sie zu trösten. Ich wollte nicht wissen, ob sie um Max weinte.
    Â»Ich hab es nicht gewusst.« Wir drei standen vor dem Polizeiabsperrband, mit einem großzügigen Sicherheitsabstand zwischen uns. Der Polizist, der uns begleitete, wartete im Wagen. »Elizabeth schrieb, das Lumen Dei habe die Macht, das Ende der Welt einzuläuten. Ich glaube, sie meinte ihre Welt. Ich glaube, sie meinte Thomas.«
    Adriane stiegen wieder Tränen in die Augen, doch sie brachte ein mattes Lächeln zustande. »Die Briefe eines toten Mädchens haben uns gerettet.« Ihre Finger berührten ihre verbundene Hand und fuhren dann über ihren geschorenen Kopf. Es war seltsam, Adriane ohne ihre perfekten Haare zu sehen. Ihre Haare würden wieder wachsen, doch sie würde nie wieder dieselbe sein. »Ich dachte, ich würde ihn lieben«, sagte sie, während sie auf die Überreste der Kirche starrte, weg von mir. »Er war so anders als alle, die ich kannte. Und er hat mich behandelt wie…« Sie schluckte es hinunter.
    Â»Sag mir, wann es angefangen hat. Vor Chris’ Tod oder…?«
    Â»Vorher. Macht es das besser? Oder schlimmer?«
    Ich schuldete ihr keine Antwort. Ich hatte keine.
    Â»Warum?«, fragte ich, weil das das Einzige war, was ich sagen konnte.
    Â»Chris gehörte dir. Er gehörte immer dir. Ich dachte…«
    Â»Was hast du gedacht?«
    Â»Ich dachte, deshalb wäre es in Ordnung. Dass Max mir gehörte. Am Ende dachte ich, ich würde uns allen einen Gefallen tun.«
    Â»Chris hat dich geliebt«, erwiderte ich. Die Wahrheit tat fast körperlich weh.
    Sie wollte mich immer noch nicht ansehen. »Nein, hat er nicht. Und irgendwann hätte er das auch begriffen. Und du auch. Und wo wäre ich dann gewesen?«
    Â»Jedenfalls nicht hier.«
    Â»Ich wollte es dir sagen.«
    Â»Aber du hast es mir nicht gesagt.«
    Â»Max hat gesagt, wir sollten noch warten.«
    Â»Max hat viel gesagt.«
    Â»Ganz ehrlich? Ich dachte nicht, dass es dich überraschen würde«, meinte sie. »Ich
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