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Das Buch aus Blut und Schatten

Das Buch aus Blut und Schatten

Titel: Das Buch aus Blut und Schatten
Autoren: Robin Wasserman
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selbst. Ich sah, wie der große Mann gefesselt und geknebelt auf die Knie gezwungen wurde, wie er Václav und Prag und den Kaiser und Gott verfluchte und dann verstummte, als ihm sein treuer Diener, erzürnt von dessen Weigerung, die Kehle durchschnitt. Mit seinem letzten Atemzug verfluchte er sie. Und mich.
    â€“ Das Mädchen. Sie wird dich retten. Oder vernichten.
    Dann holte ihn der Tod und ich werde nie wissen, was er damit meinte. Aber dass ich die Macht habe, jemanden zu vernichten, daran zweifle ich nicht.
    Der silberhaarige Mann begann zu sprechen und wies in die Dunkelheit.
    â€“ Wir wissen genug, um beginnen zu können. Macht die Quelle bereit.
    Ich musste es sehen, aber ich würde alles tun, um es ungesehen zu machen. Thomas, gefesselt. Thomas, zitternd. Thomas, der aus den Schatten herausgezerrt und vor das Lumen Dei gezwungen wurde. Er wehrte sich nicht. Nicht einmal, als er das Messer sah.
    Der Laut, der die Stille der Nacht zerriss, war mein Herz, das seinen Namen schrie. Man sagt, das Leben sei ein endloser Kreis, die Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt, und es muss wahr sein, denn hier war ich wieder, feige und verborgen, während dunkle Mächte jenen bedrohten, den ich am meisten liebte. Bei unserem Vater hatte ich versagt, doch bei Thomas würde ich das nicht tun. Es war kein klarer Gedanke, es war die reine Not, die mich aufspringen und in das Haus stürzen ließ, die mich auf den silberhaarigen Mann, auf Václav, auf Thomas losgehen ließ, die Arme erhoben in nutzlosem Flehen, die Lungen berstend mit dem jämmerlichen Schrei. Nein. Nein.
    Nein.
    Ich hatte keine Waffe. Ich hatte keine Macht. Ich hatte nichts außer meinem Willen, ihn zu retten. Doch das war nicht genug.
    â€“ Bringt sie hinaus und schafft sie aus dem Weg.
    Es war der silberne Mann, der mir als Kind zweifellos die Schulter getätschelt oder den Kopf gestreichelt hatte, der das sagte. Aber es war Václav, der mich mit seinen Klauen packte und wegzerrte. Thomas sah mich während dieses Albtraums nur ein einziges Mal an, und das war der Moment, in dem sich das Messer in sein Herz bohrte.
    Das Messer, geführt von dem silberhaarigen Mann. In seiner anderen Hand hielt er einen silbernen Kelch, mit dem er das Blut auffangen wollte.
    Meine Schreie verebbten. Mir war, als würde das Leben selbst aus mir weichen, als würde es genauso schnell aus mir herausströmen wie aus Thomas, ein endloser roter Fluss.
    Als der Kelch seinen Inhalt in das Lumen Dei ergoss, zerrte mich Václav aus dem Gebäude. Ich bildete mir ein zu hören, wie die Zahnräder surrend zum Leben erwachten, wie sie die Stille erfüllten, die Thomas’ Herzschlag hinterlassen hatte.
    Ich werde nie wissen, was Václav in jener Nacht mit mir vorhatte, und ich frage mich, ob es ein Geschenk oder ein Fluch war, dass mir die Flucht gelang und ich mit meinem Leben davonkam.
    Ich konnte nicht um Thomas weinen. Thomas, das wusste ich, war tot. Und doch, als würde das Universum sein Fehlen ebenso heftig betrauern wie ich, gellten plötzlich Schreie durch die Nacht.
    Flammen zuckten hinter den Mauern. Flammen, die mit weißer Hitze tanzten, wie ich sie noch nie gesehen hatte.
    Und die Männer, die Thomas ermordet hatten, heulten vor Schmerz, während das Feuer sie verschlang.
    Václav gab mich frei und rannte in die Nacht davon, während er schrie, ich sei eine Zauberin, ich hätte seinen Meister zerstört, ich hätte alles zerstört. Wie recht er hatte. Ich konnte nicht weglaufen. Ich konnte nichts tun, als dem Feuer zuzusehen und den Schreien zu lauschen. Ich stellte mir vor, dass ich inmitten des Höllenchors Thomas’ Stimme hörte, und wenn ich die Augen schließe, ist es dieses Bild, mit dem ich mich an ihn erinnere. Blutverschmiert und gepeinigt, während sein Körper verbrannte und die, die er liebte, nichts unternahm, um ihn zu retten.
    Das Haus brannte die ganze Nacht. Schreie gellten durch die Straßen. Familien ergriffen die Flucht, ihre Habe in den Händen tragend, voller Angst, dass sich das Feuer auf das ganze Viertel ausbreiten würde. Doch die Flammen breiteten sich nicht aus. Und sie ließen sich auch nicht mit Wasser löschen, das ein Trupp tapferer Männer Eimer um Eimer auf sie kippte. Dem Feuer war das gleichgültig und bald schon waren selbst die wagemutigsten Männer angesichts seiner Kraft geflüchtet.
    Ich blieb und wartete
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