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0418 - Zwei Orchideen für eine Tote

0418 - Zwei Orchideen für eine Tote

Titel: 0418 - Zwei Orchideen für eine Tote
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Es war am 7. Februar im Jahre 1944, als Elroy Hammer sein möbliertes Zimmer im New Yorker Stadtteil Greenwich Village verließ, um sich gegen neun Uhr morgens in einem Café mit seiner Freundin Leila Eggens zu treffen.
    Über New York wütete ein Schneesturm; grauer Schnee und schneidende Kälte füllten die Straßen.
    Hammer war ein bißchen ängstlich, als er mit hochgeklapptem Kragen durch den Morgen stapfte. Leila hatte wieder ihren Kopf durchgesetzt und ihn in dieses elende Lokal bestellt, in dem man ihn so gern sah wie eine häßliche Spinne.
    Hammer hatte versucht, es Leila auszureden. Er hatte ihr ein anderes Café vorgeschlagen, fadenscheinige Gründe vorgebracht und seine aufkeimende Angst mit Gewalt verborgen. Aber es war umsonst gewesen. Leila hatte ihn mit ihren kobaltblauen, kühlen Augen durchschaut. Leilas Worte hatten sich wie mit Saure in Hammers Gedächtnis gefressen. »Du bist zu feige. Du traust dich nicht in das Lokal, weil dort die Kerle sitzen, mit denen du mal Streit hattest. Du kneifst. Aber das sage ich dir — wenn du nicht mal den Mut hast, ins Bijou zu kommen, wenn du ein solcher Waschlappen bist, dann ist es aus mit uns. Ich werfe mich an keinen Schwächling weg.«
    An diese Worte mußte Hammer denken, als er seine Schritte jetzt langsam durch die Broome Street lenkte. Er dachte an die brutalen Schläger, denen er im Bijou einmal frech gekommen war, die ihm vor dem Café aufgelauert und ihn halb tot geschlagen hatten. Er dachte mit einem Schauder daran, dachte an die Nierenverletzung, die sie ihm beigebracht hatten, fühlte sich krank, mutlos, gedemütigt seitdem und schämte sich entsetzlich. Außer Leila hatte er es niemandem erzählt. Und in seiner Erzählung hatte es sich anders abgespielt. Da war er der Held gewesen, hatte drei von dem Gelichter zu Boden geschlagen, bevor ihn die Übermacht überrollte.
    Es waren, noch etwa zweihundert Schritt bis zum Bijou. Leila war bestimmt schon dort. Sie war immer pünktlich und stand auch sonntags früh auf.
    Die häßlichen Häuser der Broome Street wirkten im grauen Winterlicht wie verrottete Steinkästen. Vor einem winzigen Geschäft blieb Elroy Hammer stehen. Die schmale, hohe Schaufensterscheibe war naß von schmutzigen Schneeflocken.
    Hammer starrte auf die Auslagen — anfangs, ohne sie wirklich zu sehen. Erst dann, als Furcht und Unbehagen für einen Moment den Schleier von seinem Blick nahmen, sah er die Messer.
    Hammer fühlte, wie sich seine tief in den Manteltaschen verborgenen kalten Finger plötzlich erwärmten. Von dem kalten Stahl schien eine seltsame Kraft auszugehen, schien sich auf Elroy Hammer zu übertragen. Der Wunsch, ein solches Messer zu besitzen, wurde plötzlich gewaltig in ihm.
    Der Laden war geschlossen. Es war Sonntag.
    Neben dem Schaufenster befand sich die gläserne Eingangstür. Sie lag zurückgesetzt, in einer Nische, war mit einem wuchtigen Scherengitter gesichert.
    Elroy Hammer biß sich auf die Unterlippe, überlegte sekundenlang, dann stand der Entschluß fest. Er suchte nach der Klingel, fand sie, konnte den Knopf durch das Gitter erreichen, preßte seinen Daumen darauf, vernahm das blecherne Schellen im Innern des Hauses, wartete.
    Was sollte er sagen? Der Ladenbesitzer würde ungehalten sein über die sonntägliche Störung. Eine Erklärung mußte parat sein, warum er gerade jetzt ein Messer brauche.
    Im Laden wurden Schritte laut. Licht flammte auf. Elroy konnte nicht sehen, wer sich drinnen bewegte.
    Ein Schlüssel knirschte im Schloß, die Tür öffnete sich. Ein kleiner fetter Mensch mit rotem Gesicht und Hosenträgern schob sich halb durch die Türöffnung.
    »Was wollen Sie denn?« fragte er gemütlich. Sein wacher Blick glitt über Elroys hohe, knochige Gestalt, über das bleiche, kantige Gesicht mit den seltsam blaßgrünen Augen und den tiefen Querfalten in der ausladenden Stirn. Diese Falten hatte Elroy schon lange, obwohl er erst 24 Jahre alt war.
    »Entschuldigen Sie bitte, daß ich störe.« Elroy leckte sich über die Lippen. »Mein Bruder hat heute Geburtstag, und ich habe ihm versprochen, ihm unbedingt… Es ist ein jüngerer Bruder, müssen Sie wissen… Er will von mir eins der Schnappmesser haben. Und leider habe ich vergessen, es rechtzeitig…«
    Elroy brach im Satz ab und lächelte hilflos.
    Der fette Ladeninhaber nickte und schloß das Scherengitter auf. Er ließ Elroy ein und verkaufte ihm für viereinhalb Dollar ein gefährliches Messer. Aufgeklappt hatte es fast
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