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StasiPolka (German Edition)

StasiPolka (German Edition)

Titel: StasiPolka (German Edition)
Autoren: Gottfried Pesch
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    1
     
    Die letzten sechs Stunden seines Lebens verbrachte Marcel Lejaune damit, den Männern entgegen zu reisen, die ihn töten sollten. Mit knapper Not erreichte er die Maschine nach Prag, vergrub sich hinter einer Zeitung und leerte drei Fläschchen Rotwein. Seine Verfolger erwarteten ihn zu dritt, aber selbst bei klarem Kopf hätte er sie im Gewimmel der Ankunftshalle kaum entdeckt. Er überließ dem herbei eilenden Fahrer seine Reisetasche und folgte ihm ins Freie.
                 Lejaune war ahnungslos. Wie sollte er auf die Idee kommen, sein Tod sei b eschlossene Sache?  Er hatte keine Feinde, zog nirgends eine auffällige Spur - ein Zahlenmensch mit unstetem Beruf und kümmerlichem Privatleben. Niemand, an dem man sich rieb.
     
    „Da kommt unser Freund“, sagte Karol, „hol den Wagen.“ Er winkte der Kellnerin.
    „Sieht aus, als hätte er Schlagseite.“ Der Junge neben ihm schob seinen Stuhl zurück und machte sich auf den Weg.
    „Um so einfacher.“ Karol drückte der Bedienung einen Schein in die Hand und ging hinunter in die Ankunftshalle. Seit einer Stunde hatten sie an der Brüstung der Cafeteria gesessen, die Automatiktüren der Zollkontrolle fest im Blick. Schlie ßlich leuchtete Lejaunes gerötetes Gesicht in einem Rudel von Ankömmlingen auf.
    Draußen nieselte es. Der spröde Lehm der Baustellen rund um den Flugh afen war zu klebrigem gelbem Matsch geronnen.
    „Da hinten, der dicke Toyota.“ Der Junge hielt die Tür des schwarzen Skoda auf, mit dem sie aus Brno gekommen waren. Karol sah zu, wie der dunkelrote G eländewagen rückwärts aus der Parkbucht stieß. Er stieg ein, der Junge setzte sich nach vorn zum Fahrer. Sie warteten, bis Lejaunes Wagen an ihnen vorbei rollte und schlossen dann auf. Durch das Heckfenster sah Karol, dass ihr Opfer bereits in einer Zeitung blätterte.
    Der Toyota pflügte schwungvoll durch den Dreck der Baustellen und drängte sich auf der Magistrale in den dichten Verkehr, der auf Prag zu trieb. Sie ruckelten durch die verstopfte Innenstadt auf den Zubringer zur Autobahn. Ihr Skoda hielt mühelos Kontakt. Karol machte es sich auf der Rückbank bequem. Hin und wieder warf er einen Blick auf die stämmige Silhouette des Einfaltspinsels, der seiner Hinrichtung entgegenfuhr.
     
    „Mann, willst du mich grillen?“ Lejaune schwitzte, sein Hosengürtel kniff. Er schob zwei Finger in den Hemdkragen und lockerte seine gelbe Seidenkrawatte. Zur Hölle mit diesen Ostblockreisen.
    Er legte die Zeitung zur Seite und starrte auf den Rücken des Fahrers, der an der Klimaanlage herumfingerte. Auch so ein Ohrfeigengesicht, das einem nicht in die A ugen sah. Lejaune stand es bis obenhin.
    „Sind Sie gebunden?“ hatte die Personalchefin von Wyss & Stuart Consu ltants gefragt, als er sich vor zwei Jahren als Juniorberater bewarb.
    „Nur manchmal.“ Darüber hatte die blöde Zicke nicht gelächelt, nicht mal mit den Augen, und er hatte eilig hinzugefügt, dass er völlig m obil sei.
    „Sie werden viel reisen müssen.“ Super. Er sah sich bereits in den glitzernden Bür owelten aus der Fernsehwerbung.
    „Das macht nir nichts aus. Verfügen Sie über mich“, es war ihm nicht leicht gefallen, seine Vorfreude zu ve rbergen.
    Inzwischen nannte er sich Juniorpartner, was gut klang aber nur bedeutete, dass Wa lter Graham ihn als Fährtenhund durch die Gegend trieb. Klar, er verdiente mit achtundzwanzig Jahren besser, als er es jemals erträumt hätte, aber für alle, die Wyss & Stuart kannten, war er nicht mehr, als der Bleistift des großen Meisters. Er flog voraus, um den roten Teppich für Graham auszurollen, er stellte die Nachhut, wenn am Wochenende noch Bürokram zu erledigen war.
    „Jetzt arbeiten wir an der Zukunft.“, hatte Walter vor einem Jahr getönt, als er ihm Polen und Tschechien aufs Auge drückte. Von wegen glit zernde Bürowelten. Er war schon froh, wenn in irgendeiner Muffelbude ein Klappertisch bereit stand.
    Lejaune starrte auf seine Schlamm bespritzten Budapester. Der Wagen stank nach den verdammten Duftspendern, die in fast allen Ostblockautos vom Rückspiegel baumelten. Im Radio dudelte tschechische Folklore. Lejaune fragte sich, ob er nicht wieder mit dem Rauchen anfangen solle.
    Sein Handy schnarrte.
    „Marcel, Sie müssen das morgen früh allein schaukeln.“ Grahams Stimme klang aufgekratzt.
    „Das macht wenig Sinn“, sagte Lejaune,  Was sollte das nun wi eder.
    „Dann drehen Sie meinetwegen um. Fliegen Sie zurück nach Brüssel.
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