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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
Autoren: Georges Simenon
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sich O’Brien seine Pfeife an und setzte sich auf die Fensterbank. Als Monsieur Guillaume darüber nachdachte, daß es ihm vier Jahre lang gelungen war, die Deutschen hinters Licht zu führen, betrachtete er ihn mit Erstaunen, aber auch voller Bewunderung.
    »Die Geschichte stammt noch aus dem ersten Krieg, dem von 1914. Ich hörte vor etwa zehn Jahren in London davon, denn sie ist bei uns fast zu einem Klassiker geworden. Aber erst durch die Deutschen erfuhr ich die ganze Wahrheit.
    Es geht da um einen Mann, den wir Corsico nannten, von dem wir fast nichts wußten, außer daß er mit Sicherheit der bestbezahlte Spion des Ersten Weltkriegs war.
    Interessiert Sie die Geschichte?«
    »Und dieser Spion war Monsieur Bouvet?«
    »Auf jeden Fall der Mann, der unter diesem Namen gestorben ist. Erinnern Sie sich an den Ersten Weltkrieg und an die Bedeutung, die Madrid damals hatte? Da Spanien neutral war, war Madrid fast der einzige Ort auf der Welt, wo sich die offiziellen Vertreter der deutschen und der alliierten Regierungen täglich begegneten.
    Für Spionage ein fruchtbares Feld. Die beiden Lager unterhielten ganze Heere von Agenten, die um so wichtiger waren, als der U-Boot-Krieg seinen Höhepunkt erreicht hatte und die meisten der geheimen Versorgungsstützpunkte der deutschen U-Boote an der spanischen Küste lagen.
    Nach ein paar Wochen, manchmal schon nach ein paar Tagen wurden unsere Männer regelmäßig enttarnt. Dann fand man sie tot irgendwo vor der Stadt, wenn man sie überhaupt wiederfand.«
    »Davon habe ich gehört.«
    »Ich war ja leider noch zu jung, aber die älteren Kollegen konnten stundenlang hiervon erzählen.
    Also, eines Abends kam ein unscheinbarer kleiner Mann in das Büro der Handelsfirma, die dem Intelligence Service als Tarnung diente.
    Er weigerte sich, seinen Namen zu nennen, sagte aber, er sei in der Lage, uns Tag für Tag die Fotos aller Dokumente zu liefern, die durch die Tresore der deutschen Botschaft gingen.
    Das klang derart unglaublich, daß man ihn fast abgewiesen hätte. Er hatte aber vorgesorgt. Er hatte die Fotokopie eines Dokuments mitgebracht, dessen Existenz bekannt war, dessen genauen Inhalt aber niemand kannte.
    Dann sagte er ganz ruhig, wieviel er verlangte. Tausend Pfund Sterling in Gold für jedes Foto.
    Er erklärte seinen Plan. Jemand von uns sollte jeden Abend mit dem Auto zu einer verlassenen Stelle in der Nähe des Müllplatzes kommen, die jeweilige Summe bei sich haben und auf ihn warten.
    Unsere Männer versuchten, ihm zu folgen, umsonst.
    Von diesem Tage an jedoch lief unser Handel, und er lief perfekt fast während des ganzen Krieges.
    Auf diesem Wege kamen wir in den Besitz der wertvollsten Informationen.
    Derjenige, der sie uns lieferte, hat auf diese Weise ein beträchtliches Vermögen anhäufen können. Das ging so weit, daß in London das Kabinett zusammentreten mußte, um unserer Vertretung in Madrid die nötigen Kredite zu bewilligen.«
    »Ist der Intelligence Service damals nicht darauf gekommen, wer er war?«
    »Noch nicht einmal darauf, aus welchem Land er kam. Als der Krieg zu Ende war, verschwand er spurlos. Wie jeder bei uns kannte auch ich diese Geschichte, als ich während des letzten Krieges mit den Leuten der Gestapo in Verbindung trat.
    Aber das steht auf einem anderen Blatt und ist im Augenblick auch ganz belanglos.«
    Er sagte dies leichthin und ohne falsche Bescheidenheit, während er an seiner Pfeife zog.
    »Jedenfalls hörte ich damals wieder von Corsico. Ich habe übrigens vergessen, Ihnen zu sagen, daß wir dem Agenten aus Madrid diesen Namen gegeben hatten, weil wir keinen besseren wußten.
    Manche Gestapoleute in Paris hatten während des Ersten Weltkriegs dem Geheimdienst des Kaisers angehört.
    Ein Mann namens Klein, der inzwischen wohl erschossen worden ist, erzählte mir von dem Agenten Corsico. Jene Herren besaßen übrigens ausgezeichnete Fotos von ihm und hätten seine Spur gar zu gern wiedergefunden.
    Woher sie wußten, daß er wahrscheinlich in Paris war, ist mir nicht bekannt.
    Aber sie hatten schließlich herausgefunden, wo die undichte Stelle gewesen war. Corsico hatte sich noch rechtzeitig abgesetzt.
    Das ist eine sehr amüsante Geschichte.«
    Er stopfte sich eine neue Pfeife und blickte auf die Seine.
    »Der Mann hatte deshalb so wenig Schwierigkeiten, die Dokumente zu fotografieren, weil er der Kammerdiener des deutschen Botschafters war. Am erstaunlichsten daran ist, daß er diesen Posten nicht zu diesem Zweck
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