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Knochenraub am Orinoko

Knochenraub am Orinoko

Titel: Knochenraub am Orinoko
Autoren: Cornelie Kister
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Erwischt!

    »Wenn nicht bald was passiert, werde ich noch ganz krumm und schief«, murrte Pedro im Dunkel seiner Kiste. Seit Tagen schon lag er zusammengekauert zwischen Schiffstauen und schmutzigen Segeltüchern und traute sich kaum zu atmen. Nur in der Nacht, wenn die meisten an Bord schliefen und das Schiff träge auf den Wellen hin und her schaukelte, wagte Pedro sich aus seinem Versteck heraus. Dann musste er erst einmal seine steifen Glieder strecken, bevor er über die Planken in den Bauch des Schiffes huschte, um in der Kombüse nach etwas Essbarem zu suchen. Dass ihn nur ja keiner erwischte! Erst recht nicht dieser bärbeißige Kapitän, der den ganzen Tag Befehle übers Deck brüllte. Ganz klar, was er mit so einem halbwüchsigen blinden Passagier wie ihm machen würde. Kleinholz   – oder noch Schlimmeres!
    »Ewig kann ich mich aber nicht verstecken«, raunte Pedro. Er hatte schon seit Längerem mit niemandem mehr ein Wort gewechselt, sodass er wenigstensmit sich selbst sprechen musste, um nicht ganz zu vergessen, wie seine Stimme klang.
    Plötzlich hörte Pedro, wie sich schwere Stiefelschritte seiner Kiste näherten. Er hielt die Luft an. Obwohl von draußen das Geschrei der Matrosen, die in den Wanten herumturnten, zu ihm drang, hatte er das Gefühl, dass sein Herzklopfen auf dem ganzen Schiff zu hören war. Die Stiefel blieben vor der Kiste stehen.
    »Bitte, geh einfach weiter. Bitte!«, flehte Pedro, doch da hob sich bereits quietschend der schwere Kistendeckel, um im gleichen Moment mit einem lauten Knall wieder zuzuschlagen. Pedro hoffte inständig, dass sich die Stiefel entfernen würden. Aber nein. Ganz langsam wurde der Deckel erneut geöffnet. Das grelle Sonnenlicht traf Pedro wie ein Blitz, sodass er zunächst nichts erkennen konnte.
    »Da soll mich doch der dreischwänzige Klabautermann holen!«, brummte eine tiefe Stimme über ihm. Eine kräftige Hand packte Pedro am Kragen und zog ihn auf die Füße. Er blinzelte unter zusammengekniffenen Augenlidern in ein hämisch grinsendes Matrosengesicht, in dessen Mitte ein Silberzahn funkelte. Die Haut des Matrosen war von Sonne und Meer braun gegerbt und graue Bartstoppelnüberzogen wie Schmirgelpapier seine Wangen.
    »Ein weiterer Gast auf der Pizarro!«, höhnte der Matrose und lachte boshaft. »Los«, herrschte er Pedro an und packte ihn unerbittlich am Kragen. Pedro stolperte, als er über den Kistenrand gezerrt wurde, und fiel vor dem Koloss von Matrosen fast auf die Planken.
    Sein gehässiges Lachen hatte einige andere Matrosen, die gerade in der Nähe waren, herbeigelockt. Wie ein Schwerverbrecher wurde Pedro unter neugierigen und hämischen Blicken übers Deck geführt. »Da wird der Alte Augen machen! Hast dich wohl einfach an Bord geschmuggelt, du Früchtchen, was?« Der Seemann blickte stolz in die Runde, als wäre die Entdeckung von Pedro sein ganz persönlicher Triumph. »Aber da kennst du den alten Emilio nicht!« Wieder lachte er sein dreckiges Lachen. »Meinen Seemannsaugen entgeht nichts. Auch nicht so ’ne Laus wie du.« Dabei versetzte er Pedro einen unsanften Tritt in den Hintern.
    »Was machst du mit dem Jungen da?«, rief eine empörte Frauenstimme. Einige Meter vor ihnen lehnte eine dicke Spanierin im Halbschatten der Reling und hielt ihr Kind an die Brust. Sie drücktedas Baby rasch ihrer älteren Tochter in den Arm und stellte sich Pedros Peiniger in den Weg. »Lass ihn los! Du tust ihm weh! Siehst du nicht, dass er noch ein Kind ist«, schimpfte sie.
    »Aus dem Weg, Weib«, bemerkte der Matrose ungerührt und schob die kräftige Frau achtlos zur Seite. »Ein blinder Passagier gehört vor den Kapitän, basta!« Er beugte sich zu Pedro hinunter und raunte ihm mit bedrohlicher Stimme ins Ohr: »Weißt du eigentlich, was man auf See mit solchen Gaunern wie dir macht?«
    Pedro presste die Lippen aufeinander und hielt die Augen starr auf die Schiffsplanken gerichtet.
    »Kapitän Sanchez«, brüllte Matrose Emilio in Richtung Ruder. »Sehen Sie mal, was ich hier aus der Bordkiste gefischt habe!« Der Kapitän stand mit dem Rücken zu ihnen und sprach gerade mit dem Steuermann. Als er sich auf dem Absatz umdrehte, blickte Pedro in sein bärtiges Gesicht und wusste sofort, dass ihn nichts Gutes erwartete.
    Der Kapitän lief mit finsterer Miene auf Pedro zu, musterte ihn abschätzig von oben bis unten und fragte mit barscher Stimme: »Was hast du auf meinem Schiff zu suchen?«
    Pedro hatte das Gefühl, dass ihn die stechend
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