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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
Autoren: Georges Simenon
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gerechnet hatte, nicht mitgenommen zu werden:
    »Sie sind dran!«
    Vielleicht hatte er auf diese Aufforderung gehofft, denn er hatte sich rasieren lassen, und sein Anzug war sauber. Er hatte sich sogar etwas Schwarzes um seinen Hals geschlungen, das so aussehen sollte wie eine Krawatte.
    Die Sardots und der Akkordeonspieler waren mit dem vorletzten Wagen gefahren.
    Im letzten Wagen zögerten alle, sich bequem in die Polster zurückzulehnen. Mademoiselle Blanche weinte nicht mehr.
    »Wenn ich nur daran denke, daß er ganz in der Nähe wohnte und ich das nicht wußte«, seufzte sie. »Ich hätte ihn auf der Straße treffen können. Aber er hätte mich ja gar nicht erkannt. Vielleicht hätte er mich auch gar nicht wiedersehen wollen.«
    Da schaute Madame Jeanne den Professor mit einem Blick geheimen Einverständnisses an. Denn wenn sie auch im letzten Wagen saßen, so waren sie doch eigentlich die einzigen, die Monsieur Bouvet zu seinem Begräbnis erwartet hatte.
    Vor ihnen war er nicht davongelaufen. Zu ihnen war er gekommen. Sie hatte er auserwählt.
    Die Augen des Clochards glänzten noch mehr als die der Concierge. Er wußte ja, daß Monsieur Bouvet um ein Haar noch einmal fortgegangen wäre, zu ihm gekommen wäre auf die Place Maubert und an die Kais.
    Er war wie das letzte Glied in der Kette. Die, die in den ersten Wagen saßen und nicht einmal mehr zu sehen waren, stellten vergangene, fast vergessene Zeiten dar. Allein irgendwelche Papiere verliehen ihnen eine Bedeutung.
    Ob Mademoiselle Blanche das fühlte? Begriff sie, daß sie einen Platz einnahm, der ihr nicht zukam, daß auch sie eigentlich in einem der Wagen der fernen Vergangenheit hätte sitzen müssen?
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Durch die Stöße des Wagens wurde ihr großes bleiches Gesicht hin und her geworfen. Der Professor lächelte ihr, ganz Kavalier, freundlich zu.
    »Ach was, ich kannte ihn gut! Ich bin sicher, er hätte Sie bei uns einsteigen lassen.«
    Madame Jeanne zögerte kaum eine Sekunde. Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Handtasche, denn sie konnte keine Tränen sehen, ohne daß ihr selbst welche kamen. Mit belegter Stimme sagte sie:
    »Davon bin auch ich überzeugt.«
    Ein roter Lastwagen überholte sie, reihte sich vor ihnen wieder ein, und fast bis zum Friedhof, wo die Trauerfeier in der Kapelle stattfinden sollte, war der letzte Wagen ganz von den anderen abgeschnitten, so als führe er zu einem ganz anderen Begräbnis.
     
    Carmel, Kalifornien, Februar 1950
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