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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
Autoren: Georges Simenon
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Büro saß, hatte sie wieder Tränen in den Augen.
    »Sie haben in einem Café gearbeitet?«
    »In einer großen Brasserie an der Place de Brouckère. Ich bediente, und er arbeitete im Keller.«
    »Hatten Sie das Gefühl, daß er unglücklich war?«
    Diese Worte schienen sie zu erschrecken, und es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder gefangen hatte. Sie mußte all ihre verschütteten Erinnerungen wieder hervorholen.
    »Ich glaube nicht. Wenn wir freihatten, fuhren wir aufs Land, in den Wald von La Cambre. Heißt er so?«
    Sie war fast fröhlich, weil ihr dieser Name wieder eingefallen war, der für sie mit leuchtenden Erinnerungen verknüpft zu sein schien.
    »Hat er Sie wegen einer anderen Frau verlassen?«
    »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht. Er ging fort.«
    »Ohne Ihnen vorher etwas davon zu sagen?«
    »Er sagte mir, er ginge nach England.«
    »Und er hat Ihnen nicht vorgeschlagen mitzufahren?«
    »Nein.«
    »Und er hat Ihnen nicht versprochen wiederzukommen?«
    Diese Fragen erstaunten sie, als stimmten sie nicht mit der Realität überein, und sie drückte es auf ihre Art aus.
    »So war es nicht. «
    Vermutlich hatte sie sich nicht getraut, Fragen an ihn zu richten und auf sein Leben irgendeinen Einfluß zu nehmen. Er hatte sie auf der Straße aufgelesen. Er hatte mehr als ein Jahr mit ihr gelebt. Vielleicht nahm sie an, er habe ihr zuliebe oder ihretwegen getötet.
    Nun ging er fort. Daß sie ihr ganzes Leben zusammenbleiben würden, hatte sie nie gehofft.
    »Hat er Ihnen nie geschrieben?«
    »Nur eine Ansichtskarte aus London hat er mir geschickt, mit einer Säule darauf, ohne Unterschrift.«
    »Trafalgar Square?«
    »Ja, ich glaube, das stand auf der Karte. Ich habe sie noch.«
    »Ist das alles, was Sie von ihm besitzen?«
    »Auch einen Strumpf habe ich noch.«
    »Dann kamen Sie nach Paris zurück?«
    »Nicht sofort. Ich war zuerst noch in Antwerpen.«
    »In einer anderen Brasserie?«
    »In einer Brasserie mit Frauen.«
    Auch das kannte er, jene Freudenhäuser in Nordbelgien, in denen dicke Mädchen mit rosiger Haut den Kunden Bier ausschenken, auf ihren Knien mittrinken und sie dann mit ins Hinterstübchen nehmen.
    »Sind Sie lange dort geblieben?«
    »Ziemlich lange.«
    »Wie viele Jahre?«
    Sie schloß die Augen und zählte. Dabei bewegten sich ihre Lippen.
    »Fast sechzehn Jahre.«
    »Im selben Haus?«
    Im selben Haus! Sie brauchte keine Veränderung wie Lamblot. Zweifellos hatte sie ihre Stelle verloren, als sie sogar für die Antwerpener zu dick geworden war oder zu alt.
    »Sie haben den Namen beibehalten, den er Ihnen gegeben hatte? Perron?«
    »Ja. Ich kam nach Frankreich zurück. Zuerst nach Lille.«
    Aus einer Art Schamgefühl heraus wagte er nicht, sie zu fragen, was sie dort getan hatte.
    »In Paris hatte ich die Toiletten in einem Café an der Bastille. Als man mich zu alt fand, fing ich an, putzen zu gehen.«
    Sie war immer noch Putzfrau, bei anderen alten Frauen oder bei Kranken, die niemanden hatten.
    »Haben Sie sein Foto in der Zeitung wiedererkannt?«
    »Ja. Ich hätte ihn sehr gern noch einmal gesehen, aber ich habe mich nicht getraut. Es kam eine Dame, als ich gerade mit der Concierge sprach. Da habe ich die Veilchen nur abgegeben.«
    Es war noch etwas Kaffee in der Kanne. Er schenkte ihr ein, wartete, bis sie ausgetrunken hatte, und trank dabei sein Bier aus.
    »So! Ich bringe Sie jetzt nach Hause.«
    »Brauchen Sie mich nicht mehr?«
    »Ich glaube nicht. Ich schreibe morgen früh den Bericht, und den müssen Sie allerdings noch unterschreiben. Es kommt dann aber jemand zu Ihnen nach Hause.«
    »Wann ist seine Beerdigung?«
    »Sie werden benachrichtigt. Ich verspreche es Ihnen.«
    »Sicher?«
    Er fuhr sie tatsächlich in einem kleinen Wagen der Polizeipräfektur nach Hause. In der Loge trafen sie auf die Krankenschwester, die versucht hatte, ein wenig aufzuräumen.
    Lucas fuhr auch sie nach Hause, denn es regnete immer noch. Auf all den aufgeweichten Zeitungen, die auf den Bürgersteigen herumlagen und nacheinander vom Regen weggespült wurden, sah man das Foto von René Bouvet.
    Am Quai de la Tournelle lag die Concierge in ihrem Bett. Seit jenem Vorfall, als sie zwei Personen ins Haus gelassen, aber nur einmal geöffnet zu haben glaubte, schlief sie unruhig. Wenn der Akkordeonspieler morgens gegen zwei nach Hause kam, schaltete sie das Licht ein und schaute aus dem Fenster, um ja ganz sicher zu sein, daß er es war.
    Die Sardots bereiteten sich auf ihre Urlaubsreise vor. Sie hatten
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