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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
Autoren: Georges Simenon
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in einer Familienpension in Riva-Bella Zimmer bestellt, und die Koffer waren fast fertig gepackt. Sie hatten für den übernächsten Tag Fahrkarten besorgt, obwohl Vincent, der Junge, protestierte. Er wollte nicht wegfahren, ohne am Begräbnis »seines Freundes« teilgenommen zu haben.
    »Vielleicht begraben sie ihn nicht vor Ferienende.«
    »Wer sagt das?«
    »Die Ermittlungen müssen erst abgeschlossen sein, damit niemand mehr Einspruch erheben kann.«
    »Und wenn sie ihn trotzdem begraben?«
    Gegen acht Uhr hatte Anwalt Guichard Madame Lair angerufen.
    »Entschuldigen Sie die Störung, verehrte Freundin, aber es hat sich soeben etwas Bedeutsames ereignet, und ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen. Ich hatte Ihnen doch erzählt, daß ich früher schon einmal geschäftlich mit Rechtsanwalt Rigal zu tun hatte. Kurz vor dem Abendessen rief er mich an. Er fragte, wie es mir gehe, schien dabei aber recht verlegen zu sein.
    Er sagte mit, seine Familie sei an der See, er aber sei wegen einer geschäftlichen Angelegenheit hiergeblieben. Er habe nun gerade erfahren, daß auch ich damit befaßt bin.
    Ich habe ihn reden lassen, ohne mich groß einzuschalten. Es war sehr amüsant, denn hinter ihm hörte ich einige Male eine Frauenstimme; Mrs. Marsh höchstwahrscheinlich, die ihn zu diesem riskanten Unternehmen veranlaßt hatte.
    Am Telefon kann ich Ihnen nicht alles wiederholen, was er sagte. Erlauben Sie mir daher, morgen bei Ihnen vorbeizukommen.
    Es kam ihm besonders darauf an, etwas über Ihre Absichten zu erfahren.
    ›Es ist eine scheußlich verzwickte Angelegenheit‹, sagte er, ›die uns jahrelang Mühe und Scherereien machen kann. Wer weiß, wie viele Personen in den nächsten Tagen und Wochen noch Ansprüche gegen Samuel Marsh oder Lamblot anmelden werden, ganz zu schweigen von den anderen Namen, von denen wir noch nichts wissen. Läge es nicht im Interesse der beiden unmittelbar betroffenen Parteien, miteinander Kontakt aufzunehmen?‹
    Verstehen Sie, was er meint? Er möchte, daß wir die Ehe nicht anfechten. Er hat sich schon mit einem Kollegen in Panama in Verbindung gesetzt, da die Ehe ja dort und infolgedessen nach dortigem Gesetz geschlossen wurde.
    Ich habe mich in keiner Weise festgelegt. Aber im letzten Augenblick habe ich ihm ganz freundlich mitgeteilt, was die Polizei herausgefunden hat, nämlich, daß der spätere Samuel Marsh 1897 wegen Mordes gesucht wurde.
    An seinem Apparat muß noch ein zweiter Hörer gewesen sein, denn ich hörte plötzlich eine Frauenstimme etwas rufen.
    Das ist alles. Hören Sie mir zu?«
    »Ja. Ich denke über diese Frau und ihre Tochter nach.«
    »Und was denken Sie von ihnen?«
    »Daß es zwischen beiden zu einem scheußlichen Streit kommen wird. Glauben Sie nicht?«
    »Doch, das ist anzunehmen. Jetzt wünsche ich Ihnen eine gute Nacht. Regnet es in Ihrem Viertel ebenso stark wie hier bei mir?«
    »Das Zimmermädchen hat mir eben gesagt, unten sei irgendein Abfluß verstopft und der Hof stehe unter Wasser.«
    »Gute Nacht …«
    »Gute Nacht …«
     
    Als Paris erwachte, regnete es nicht mehr, und der Himmel, der etwas blasser war als an den vorhergehenden Tagen, sah ganz sauber aus. Von den Dächern fielen die letzten Tropfen. Auf den Bürgersteigen trockneten die Pfützen. Das Wasser der Seine war schlammig. Die Strömung war stärker als sonst und zeichnete große Schnurrbärte um den Bug der Kähne.
    »Morgen sind Ferien«, hatte Monsieur Sardot verkündet, als er mit seinem Kochgeschirr unter dem Arm an der Loge vorbeigegangen war. »Morgen nachmittag bade ich im Meer.«
    Die Concierge steckte Ferdinand ins Bett und fing an, den Flur auszufegen, der, wenn es am Tag vorher geregnet hatte, immer viel schmutziger war als sonst. Ob sie an Monsieur Bouvet dachte? Oder vielleicht an gar nichts?
    Es war kurz nach acht. Es gingen schon Leute zur Arbeit, und an einigen Geschäften zog man die Rolläden hoch.
    Als Madame Jeanne auf der Türschwelle angekommen war, zog der Besitzer des Musikladens gerade seinen Rolladen hoch. Sie hörte einen Augenblick auf zu fegen, um sich mit ihm über das Gewitter vom Vortag zu unterhalten.
    »Irgendwo hier im Viertel muß der Blitz eingeschlagen haben. Hoffentlich ist kein Schaden angerichtet worden.«
    Er wollte ihr gerade antworten, als er sah, wie sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite jemanden anstarrte.
    Und plötzlich rannte sie über die Straße und schrie dem Ladenbesitzer zu:
    »Holen Sie einen Polizisten!«
    Zuerst
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