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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus
Autoren: Stephan M. Rother
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wartete er weiter, bis … Nach einer Minute verwandelte sich der Rufton in ein Besetztzeichen, ohne dass jemand abgehoben hatte. Amadeo beendete den Anruf, betrachtete unruhig das Telefon. Es war mitten am hellen Vormittag. Irgendjemand musste doch Dienst haben im Institut!
    Die zweite Nummer war Helmbrechts Privatanschluss. Amadeo zögerte, doch höchstens für eine halbe Sekunde. Der Rufton, ein greller Sinusrhythmus, Ton auf Ton. Amadeo lauschte, hörte das Ticken der schlichten analogen Uhr an der Wand gegenüber, murmelnde Stimmen, die sich jenseits seiner Bürotür unterhielten, in der Werkstatt. Schließlich das Besetztzeichen. Auch bei Helmbrecht zu Hause hatte niemand abgenommen.
    Blieb die letzte Nummer. Der Professor hatte sich immer geweigert, sich ein Handy zuzulegen, bis ihm Amadeo - oder offiziell die officina , als Gegenleistung für wissenschaftliche Beratung - kurzerhand ein Gerät gekauft hatte. Helmbrecht war unberechenbar; Amadeo erinnerte sich an eine Klettertour mitten im Winter, als der Professor unbedingt mal eben etwas hatte nachsehen wollen - in Goethes Berghütte auf dem Kickelhahn, achthundert Meter über dem Meeresspiegel. Ihm war einfach wohler, wenn Helmbrecht ein Mobiltelefon dabeihatte. Trotzdem zögerte er diesmal einen Augenblick länger. Diese Nummer war für den Notfall gedacht.
Wir haben keine Zeit mehr. Wenn das kein Notfall war!
    Das Anrufzeichen. Es klang anders diesmal, drängender. Dreimal, viermal …
    »Amadeo!«
    »Profess …«
    »Sparen Sie sich die Mühe, mich zu unterbrechen«, tönte die blecherne Stimme. »Dies ist eine automatische Ansage. Lesen! Lösen! Herbringen! Dem ist nichts hinzuzufügen. ›Versuchen Sie nicht, mich zu kontaktieren‹ - das gilt auch für Sie. Finden Sie die Lösung, oder ich spreche kein Wort mehr mit Ihnen, wenn ich tot bin.«
    Ein Klicken. Ein kurzer Piepton.
    » Maledett … Professor?«
    Amadeo horchte. Der Anrufbeantworter. Helmbrecht hatte gesprochen; wenn Amadeo ihm etwas mitteilen wollte: Dies war seine Chance, die einzige vermutlich. Er holte Luft, formulierte sorgfältig: »Professor, ich mache mir Sorgen um Sie. Ich weiß nicht, wann Sie das … das da eben aufgesprochen haben.« Jedenfalls nachdem der alte Mann den Brief abgeschickt hatte. »Ich …« Amadeos Gedanken überschlugen sich. Was der Professor von ihm erwartete, war klar. Lösen. Herbringen. »Ich schau’s mir an«, sagte er matt. »Was auch immer. Aber bitte geben Sie mir ein Lebenszeichen!« Er wartete noch einen Moment, ob sich etwas tat, doch das war nicht der Fall. Ohne ein weiteres Wort beendete er den Anruf.
    Betäubt starrte er seine Telefonanlage an, bis sein Blick weiterglitt zu dem Schreiben mit der Unterschrift Albert Einsteins.
    Lösen. Herbringen.
    Es misstrauten jedoch einige der Gabe des Herrn und brachten diese an einen fremden Ort, der hier verzeichnet ist.

    Das Heilmittel Gottes.
    Professor Ingolf Helmbrecht war der bedeutendste lebende Experte für historische Handschriften. Ein solcher Mann konnte diese Babylon-Geschichte doch unmöglich für bare Münze nehmen! Wie sollte irgendjemand etwas verstecken, das gar nicht existierte? Etwas, das Albert Einstein überhaupt erst erfunden hatte für seine abstruse Erzählung?
    Auf der anderen Seite … Wenn es einen Menschen gab, der zweifelsfrei beurteilen konnte, ob eine Unterschrift echt war, dann war das Helmbrecht. Der Brief auf Amadeos Schreibtisch stammte von Albert Einstein, so viel stand fest. Eine Karte, mit einem eingezeichneten fernen Ort gab es nicht, aber war eine Karte die einzige Möglichkeit, einen Ort zu verzeichnen? Ein Text konnte mehr als eine Bedeutung haben, mehr als die eine offen sichtbare. Ein zweiter verborgener Sinn innerhalb des Babylon-Textes.
    »Ein Code«, flüsterte Amadeo.
    Und Helmbrecht hatte ihn nicht knacken können, ein halbes Jahrhundert lang nicht, wenn er den Brief irgendwann kurz vor Einsteins Tod bekommen hatte … Also hatte er ihn weitergegeben, wie angewiesen. Amadeos Augen glitten über Einsteins Anschreiben: An denjenigen, den Sie für den - nach Ihnen - größten Geist Ihrer Zeit halten.
    Amadeo spürte eine Gänsehaut. Weniger, weil er sich selbst für den größten Geist seiner Zeit hielt, sondern vielmehr, weil Helmbrecht das offenbar tat. Oder vielleicht doch nur für den größten Geist, den er gerade erreichen konnte? , flüsterte ein kleines Teufelchen in seinem Hinterstübchen. Der Restaurator schüttelte den Kopf, stellte sich vor, wie er dem
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