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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus
Autoren: Stephan M. Rother
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waren siebzehn Sendungen - siebenunddreißig Prozent.« Erwartungsvoll sah er seinen capo an.
    Doch der war noch immer nicht vollständig zurück in dem kleinen Raum mit den gewaltigen Fenstern zur Via Oddone hin: seinem Büro. Das Büro des capo , des Geschäftsführers der Officina di Tomasi et figlii , Roms führendem Unternehmen bei der Restaurierung historischer Bücher.
    Siebenunddreißig Prozent, dachte Amadeo wirr. Er wusste, dass Fabio Niccolosi ein Zahlengenie war. Erwartete der Junge jetzt ein Lob? Amadeo war noch nicht in der Lage dazu.
    Helmbrecht. Das Bild war so deutlich gewesen. Noch immer glaubte er den Professor beinahe riechen zu können, das etwas aufdringliche Aroma von Altherrenrasierwasser.
     
    Old Spice.
    Amadeos Finger zitterten so stark, dass er Mühe hatte, die krakeligen Buchstaben der Absenderzeile zu entziffern: Professor Ingolf Helmbrecht vom Institut für Paläographie in Weimar.
    Es musste eine logische Erklärung für Amadeos Tagtraum geben. Etwas anderes war nicht denkbar. Wie lange hatte Fabio schon in der Tür gestanden, bevor er seinen capo ansprach? Dieser Umschlag, der mitten im Posteingangsstapel gelegen hatte, war dermaßen durchtränkt mit Helmbrechts Rasierwasser: Als die Tür sich geöffnet hatte, mussten sich
die ätherischen Öle den Weg bis in Amadeos Unterbewusstsein gebahnt und dort einen Traum ausgelöst haben. Einen Traum von Helmbrecht, von einer Pforte in einem unterirdischen Höhlenlabyrinth, von …
    Was hast du gesehen?
    Amadeo hatte gespürt, wie in seinem Rücken etwas näherkam. Er hatte sich umgewandt - doch dann hatte sein Unterbewusstsein seine Tore geschlossen, und nun war die Erinnerung fort. Oder war es irgendein Schutzmechanismus seines Verstandes? Nein, er wollte sich gar nicht erinnern.
    Dieser Traum war bedeutungslos, ein Nichts. Ein Traum eben.
    Sie müssen die Kleinigkeiten im Auge behalten, mein lieber Amadeo.
    Amadeo wischte den Gedanken beiseite, schüttelte sich, griff entschlossen nach dem Brieföffner. Fort mit Albträumen und Schimären.
    Er zog einen Briefbogen aus dem Umschlag, stutzte überrascht. In den vier oder fünf Jahren, die er den alten Mann jetzt kannte, hatte der Professor noch niemals einen derartig schlampig zusammengefalteten Brief auf die Reise geschickt. Und der Text selbst, die Schrift, fahrig, zittrig, kaum zu entziffern. Nicht dass es viel zu entziffern gegeben hätte:
    Amadeo!
Lesen! Lösen! Herbringen!
H.
    Amadeo starrte auf das Schreiben. Lesen? Was lesen?
    »Was zur …«, flüsterte er, schaute noch einmal in den Umschlag.
    Er war nicht leer. Ein zweites, kleineres Kuvert. Verwirrt
ließ Amadeo es auf den Tisch gleiten. Ein handelsüblicher Briefumschlag, graues Recyclingpapier, unbeschriftet und nicht verschlossen. Amadeo öffnete ihn. Wieder war es nur ein einziger Briefbogen, doch dieser Bogen sah völlig anders aus: älter, sehr viel älter. Nicht so alt wie die antiken Codices und Manuskripte, mit denen sie in der officina zu tun hatten, aber doch mehrere Jahrzehnte. Das Papier war vergilbt und dünn, durchsichtig fast, als wäre es viel in Gebrauch gewesen. Ein langer Text, mit einer mechanischen Schreibmaschine getippt.
    Ein langer Text … Amadeos Stirn legte sich in Falten, als er zu lesen begann. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, bis sie einander beinahe berührten:
     
    Die Geschichte des Turmbaus zu Babel ist altbekannt. Alle Welt hatte eine Zunge und Sprache, aber die Menschheit war taub und blind gegen die Guete des Herrn in ihren Heimstaetten zu Sinear. Und also sprachen die Menschen dort untereinander: »Wohlauf, lasst uns streichen und brennen die Ziegel!« Und so nahmen sie Lehm sich vom Fluss bei der Hand und Erdharz nun als Moertel und sprachen: »Wohlan, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, auf dass seine Spitze bis hinauf an den Himmel reiche, damit wir uns auf Erden einen Namen machen. Denn wir koennen sonst nicht allesamt beieinanderbleiben. Und siehe, es wird uns der HErr zerstreuen.«
    Da eilte der HErr hernieder und sah der Menschen Turm und Stadt und sprach in Erbitterung: »Siehe, es ist einerlei Sprache unter
ihnen allen, und dies ist nun der Anfang ihres Tuns. Nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden koennen, was sie sich vorgenommen haben.« Da der HErr aber ergrimmt war, sprach er: »Wohlan, so lasset den Menschen uns Einhalt gebieten und gen Sinear Pestilenz senden, sodass jener Ort als Babel bekannt sein soll. Denn es wird dort der HErr ihr GOtt jenen Menschen
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