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Meine Freundin, der Guru und ich

Meine Freundin, der Guru und ich

Titel: Meine Freundin, der Guru und ich
Autoren: William Sutcliffe
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Bloß
weil sie jetzt
anders
drauf ist
    Der Sitz geht nicht richtig zurück.«
    »Natürlich geht er zurück.«
    »Nein, geht er nicht.«
    »Schau, ich zeig's dir.« Ich kämpfe mit ihrem Flugzeugsitz. Nichts zu machen. »Hast recht. Er ist kaputt.«
    Sie setzt ein blödes Grinsen auf – so auf die halbversteckte Tour, als ob sie sagen wollte: »Du bist so ein Lutscher, der's nicht mal verträgt, wenn ich ihn auslache.« Feindseliger geht's gar nicht. Vor ein paar Wochen hätte sie mich noch an den Ohren gepackt, mir ins Gesicht gelacht und mich einen impotenten, chauvinistischen Wichser genannt. Jetzt grinst sie nur noch gerade soviel, wie nötig ist, um mir zu bedeuten, daß sie mitgekriegt hat, was für ein Idiot ich bin, sie mir aber nicht gestattet, an dieser Einsicht teilzuhaben. »Können wir die Plätze tauschen?«
    Ich gebe keine Antwort. Ich bin rechtzeitig am Flughafen angekommen, habe eingecheckt (und dabei ausdrücklich nach einem Fensterplatz gefragt) und dann eineinhalb Stunden auf Liz gewartet, die erst in allerletzter Minute aufkreuzte und die zu allem Überfluß nicht mal Reiseschecks dabeihatte, weshalb sie sich welche am Flughafen besorgen mußte. Es war aber nur ein Schalter geöffnet, und wenn der geschlossen gewesen wäre, weiß ich nicht, was wir gemacht hätten. Ich hätte … ich hätte allein für drei Monate nach Indien fahren müssen. Oder ich hätte ihr in Gottes Namen Geld leihen müssen – aber dann wäre es uns auf halbem Weg ausgegangen – das wäre nicht gegangen – und außerdem ist es nicht meine Aufgabe, ihr Geld zu leihen. Hätte ich auch nicht gemacht. Sie hatte schließlich wochenlang Zeit, ihre Sachen auf die Reihe zu kriegen …
    »Können wir nicht die Plätze tauschen? Du liest doch eh bloß – da brauchst du dich ja nicht zurücklehnen. Ich will schlafen.«
    Sie lügt. Wir haben gerade erst abgehoben, und es ist ein klarer Tag mit einer großartigen Aussicht. Und schließlich wollte ich genau wegen dieser Aussicht einen Fensterplatz – okay, ich weiß, das ist kindisch, aber ich fliege nun mal für mein Leben gern. Ich stehe dazu, daß ich den Blick aus dem Flugzeug genieße. Vielleicht bin ich ein bißchen alt dafür, aber das ist mir egal. Es macht mir eben zufällig Spaß.
    »David …? Hörst du mir überhaupt zu?«
    Sie starrt mich an, und aus ihren Gesichtszügen spricht eine abgrundtiefe Verachtung, die bedeutet: »Wehe, du sagst jetzt, daß du nur die Aussicht genießen willst. Wehe. Komm schon, sag's. Dann ist es endlich raus – dann wird niemand mehr bestreiten können – jedenfalls keiner von uns beiden –, daß du ein Zwölfjähriger im Körper eines Neunzehnjährigen bist, daß du dich nicht schämst, dich wie der letzte Depp aufzuführen.«
    Ich bin nicht paranoid – man kann ihr diese Gedanken richtiggehend an der Nase und an ihrem scheelen Blick ablesen.
    Was mich am meisten ärgert, ist, daß ich gar nicht wirklich gelesen habe. Ich hab nur einen beiläufigen Blick aufs Buch geworfen und in Wahrheit aus dem Fenster geschaut. Aber jetzt, wo sie mich dabei erwischt hat, kann ich ihr schlecht erzählen, daß ich gar nicht wirklich gelesen habe. Weil das genau das ist, was sie von mir hören will, damit ich wie ein Egoist dastehe.
    »Na gut«, sage ich. »In ein paar Minuten.«
    Ich mache mein Buch zu und gucke demonstrativ aus dem Fenster, um zu zeigen, daß ich kein Egoist bin und daß das mit dem Plätzetauschen ein ziemliches Opfer für mich ist. Ich höre, wie Liz seufzt, und aus den Augenwinkeln kann ich sie ihren Kopf schütteln sehen. Für sie steht die Sache schon fest. Egal, was ich mache: es bestätigt in jedem Fall das, was sie von mir denkt.
    Sie haßt mich. Sie hält mich für unreif, egoistisch, engstirnig und arrogant. Ich überlasse ihr, verdammt noch mal, immerhin meinen Sitz – und irgendwann werde ich wahrscheinlich schlafen wollen, und ich werde es nicht können, weil ich ihr den verstellbaren Sitz überlassen habe. Und sie sitzt da und schüttelt ihren Kopf, weil ich angeblich egoistisch bin. Das ist wirklich der Gipfel.
    Ich verstehe nicht, warum das passiert ist. Ich weiß nicht, was sich verändert hat. Vor ein paar Wochen waren wir noch die besten Freunde – fast so etwas wie verliebt. Jetzt hocken wir hier aufeinander, wollen gemeinsam drei Monate nach Indien, und sie behandelt mich wie ein Stück verfaultes Fleisch. Vielleicht bin ich ja unreif, egoistisch, engstirnig und arrogant – aber früher konnte sie mich leiden!
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