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Dann klappt's auch mit dem Doktor

Dann klappt's auch mit dem Doktor

Titel: Dann klappt's auch mit dem Doktor
Autoren: Caroline Lenz
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Augen.
    Ich bin sauer. »Was denken die sich, dass ich mit einem Röntgenblick durch die Dose hindurch nach den zehn Cent suchen kann?«
    Â»Nimm doch ein Sieb.«
    Â»Hast du noch andere brillante Vorschläge?«
    Ich brauche erst mal ein paar Schokokekse zum Nachdenken.
    Da hat Petra die rettende Idee: »Mensch, Röntgenblick, das ist es!«
    Sie ist einfach die Beste! Wir röntgen die Dose mit der Kinderkacke. Siehe da, die Münze ist auf dem Röntgenbild deutlich zu erkennen, und ich kann die Eltern beruhigen. Die Tupperdose möchten sie lieber nicht mehr mit nach Hause nehmen. Wir dürfen sie netterweise behalten.
    Gegen Ende eines langen Dienstes führe ich dann noch eine Diskussion mit einem Ehepaar, das sich über das Namensschild am Bett seines Kindes beschwert. Ich versuche diesen Eltern gerade in einem ausführlichen Gespräch die Krankheit ihres Sohnes zu erläutern, als die Mutter einen entsetzten Schrei loslässt: »Schwester! Sie haben ja den Namen unseres Sohnes falsch geschrieben! Da steht Brian, der Name wird aber Brain geschrieben!«
    Â»Ja, ähm, ich bin im Übrigen die behandelnde Ärztin. Ich werde mich aber gerne darum kümmern.«
    Der Brain also …
    Bevor ich die Klinik verlasse, schlendere ich möglichst unauffällig zur Pinnwand. Dort hängen keine Mitteilungen über mich. Noch nicht. Belustigt betrachte ich noch einmal die grelle Nachricht über Dr. Mösli und muss unwillkürlich schmunzeln.
    Â»Guten Morgen, was gibt es denn für amüsante Neuigkeiten?«, spricht mich ein junger Mann frech von der Seite an.
    Sieht er denn nicht, dass ich Nachtdienst hatte und meine Ruhe haben will? Übermüdete Nachtdienstler benötigen eine Art Schutzzone, eine große imaginäre Plexiglaskugel um sich herum. Vor allem mich sollte man nach dem Nachtdienst nicht unnötig in Gespräche verwickeln. Man sollte sich auch nicht aufregen, wenn ich jemandem in diesem Zustand die Vorfahrt nehme, schräg einparke oder auf dem Bürgersteig jemanden umrenne. Dafür kann ich nichts. Leicht genervt runzele ich die Stirn, was meine Augenringe immer wahnsinnig betont. Vielleicht sieht er’s ja jetzt. Dieser unsensible Kerl!
    Er wiederum sieht auch nicht mehr so freundlich aus, sondern blickt auf den Mösli-Zettel an der Pinnwand und beginnt sich zu ereifern: »Das ist völlig daneben. Eine Schande, dass niemand solch eine Verleumdung eines Kollegen entfernt, sondern sich alle auch noch heimlich darüber lustig machen …«
    Er hat es nicht bemerkt. Dabei sehe ich eindeutig nach Nachtdienst aus. Normalerweise bin ich schließlich um einiges attraktiver. Zumindest habe ich weniger Augenringe und bin nicht so furchtbar blass. Inzwischen bin ich ziemlich verärgert und nehme diesen dreisten Mitmenschen etwas genauer unter die Lupe. Ich schätze ihn auf Mitte dreißig. Eigentlich sieht er gar nicht so schlecht aus.
    Er ist etwa einen Kopf größer als ich. Gut, das ist bei einem Zwerg wie mir nicht besonders schwer. Mittelbraune Haare, die er für meinen Geschmack zu einem viel zu spießigen Seitenscheitel gekämmt hat und sehr intensive rehbraune Augen. Moment mal, spricht man nicht nur in Bezug auf Frauen über rehbraune Augen? Egal. Beim Blick auf seinen altmodisch wirkenden dunkelblauen Pullunder, den er über einem blauweiß karierten Hemd trägt, muss ich mir dann allerdings ein Lachen verkneifen. Das gelingt mir nicht so ganz.
    Â»Sie finden das wohl auch noch witzig, dass jemand auf diese Weise vorgeführt wird?! Ihnen ist hoffentlich schon klar, dass das ein Fall von übler Nachrede ist?«
    Die eben noch hübschen braunen Augen mustern mich jetzt mit einer Mischung aus Zorn und Verachtung. So ein Mist, ich habe nicht zugehört. Was hat dieser offensichtlich moralisch übermotivierte Kerl bloß die ganze Zeit erzählt? Seine letzte Frage wäre an sich einfach zu beantworten: Ja, ich liebe Tratsch jeder Art. Das ist aber völlig unabhängig davon, ob jemand dabei Schaden nimmt oder nicht. Jetzt mal ehrlich: Jeder von uns freut sich doch am meisten darüber, dass es nicht ihn selbst getroffen hat. Ich schaue ihn etwas ratlos an. Komplizierte moralische Diskussionen mit übermüdeten Assistenzärztinnen sind sinnlos. Außerdem, was heißt hier üble Nachrede? Niemand hat Dr. Mösli dazu gezwungen, seine Frau zu betrügen. Mein Freund Till
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