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Abstauber

Abstauber

Titel: Abstauber
Autoren: F Goldammer
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    »Ich hab’s gewusst!«, fluchte Tauner, betrat den
Raum und warf heftig die Tür hinter sich zu. »Ich hab’s gewusst!«, wiederholte er
noch einmal, nachdem der Knall verhallt war und wedelte seinem Kollegen mit einem
Zettel vor der Nase herum. Tauner war ein wenig kleiner als der Durchschnitt, wirkte
sportlich trotz leichten Bauchan­satzes; er nahm wieder ein wenig zu, seitdem er
sich vorgenommen hatte, nicht mehr zu viel zu trinken. Gerade war ihm danach, diesen
Vorsatz in den Wind zu schießen.
    Uhlmann, der Angewedelte, groß und
massig, vollbärtig bis zur Unkenntlichkeit und nach schwerer Dienstverletzung steif
im Genick, wischte den Zettel aus seinem Gesicht wie eine lästige Fliege. »Was regst
du dich auf, du hast doch keinen Urlaub gebucht.« Er nutzte das Bewegungsmoment
seiner Hand, um noch einen Knopf seines Hemdes zu öffnen. Es galt, sich so wenig
wie möglich zu bewegen. Ihm war warm. Allen war warm. Es war Juni und schönster
Sommer, so schön, wie er nur sein konnte, wenn man in einem stickigen Büro saß an
einer der abgasreichsten Kreuzungen Dresdens.
    Tauner ließ sich auf seinen Stuhl
fallen, knüllte den Zettel zusammen und warf ihn in Richtung Papierkorb. »Darum
geht es doch gar nicht! Es geht ums Prinzip. Urlaubssperre. So ein Dreck!«
    »Hast du denn schon Urlaub gebucht?«
    »Darum geht es nicht.« Tauner kniff
die Lippen zusammen und sah aus, als ob er nichts mehr sagen wollte. Lang hielt
er das nicht aus. »Da reißen sich die Idioten um dieses dämliche Testspiel, schachern
sich die Millionen zu, reden hier, agitieren da, bestechen ein paar Funktionäre.
Und dann haben die das Spiel, was so sinnlos ist, wie irgendetwas sinnlos sein kann,
und ich kriege deshalb Urlaubssperre.«
    »So sinnlos ist das Spiel nicht,
es ist ein letzter Test, bevor das Turnier losgeht, und außerdem stand schon lange
fest, dass es hier in Dresden sein würde. Du hast deinen Urlaub doch mit Absicht
genau in diese Zeit gelegt?«, fragte Uhlmann und konnte sich ein Schmunzeln nicht
verkneifen. Sonst war er derjenige, der sich beschwerte.
    »Ja, mit Absicht, damit ich mir
diesen Mist nicht antun muss. Jetzt sitze ich in diesem Büro und muss die Zeit totschlagen,
nur weil da ein Spiel läuft, bei dem man sich auf sechs Auswechselspieler geeinigt
hat. Keiner will sich mehr verletzen, keiner will sich überanstrengen.«
    »Du meinst also, ohne Testspiel
würden unsere Jungs besser abschneiden bei der EM?«, fragte Pia, in der Zwischentür
stehend. Sie konnte es sich herausnehmen ironisch zu sein, sie kannte Tauner schon
sehr lang, seit ihrem ersten Tag als Schreibkraft vor fast zwanzig Jahren. Ihr Haar
war kurz und rot gefärbt, ihr Auftreten das einer Frau, die nur mit Brüdern aufgewachsen
war. Außerdem hielt sie eine Tasse Kaffee in der Hand, war jedoch nicht bereit,
sie Tauner zu überbringen, ehe der geantwortet hatte.
    Tauner starrte die Tasse an, als
könnte er sie telekinetisch in Besitz nehmen. »Verdreh mir nicht die Worte im Mund!
Ich weiß, dass es Testspiele geben muss, aber hier geht’s doch nur darum, Werbezeit
zu schinden«, behauptete er halbherzig. Nachdem die erste Wut abgeflaut war, fiel
es ihm schwer, seine eigene Argumentation nachzuvollziehen. Und die Telekinese funktionierte
auch nicht. »Gib schon her!«, murrte er dann.
    Pia stellte die Tasse auf dem Schränkchen
neben der Tür ab. »Also ich freu mich, dass mal was in Dresden los ist. Wurde auch
Zeit! Bisschen Stimmung in der Stadt. Weißt doch noch, was los war 2006.«
    »Ja eben«, maulte Tauner, erhob
sich und holte sich seinen Kaffee. »Und ich habe Urlaubssperre!«
    »Nicht nur du, alle Polizeibeamten.
Und ich! Und die Verkäuferinnen und das Ordnungsamt und die Krankenschwestern und
die Feuerwehr.« Pia klimperte mit ihren Wimpern. »Und außerdem sind es nur zwei
Tage.«
    »Und wieso ausgerechnet in Dresden,
das Stadion ist doch gar nicht so groß.« Tauner setzte sich wieder, den randvollen
Kaffeebecher ausbalancierend.
    »Damit jeder was von der Nationalmannschaft
hat«, erklärte Uhlmann gutmütig, offenbar fühlte er sich geehrt.
    »Außerdem ist es groß genug. Und
weil in einigen anderen Stadien, die infrage kamen, der Rasen nicht bespielbar war.«
Pia konnte nicht genug von Fußball bekommen und auch nicht davon, recht zu haben.
Und weil das jeder wollte in diesem Raum, kam es selten zum Konsens.
    »Bespielbar, pah, früher haben wir
auf dem Acker gespielt«, murmelte Tauner und wünschte sich, sie könnten das
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