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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: T. M. Goeglein
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nicht das Geringste aus.
    Mit Schwung warf ich mich nach vorn und stieß den armen Kevin aus der Tür.
    Sein Körper wurde mit einem Wuuusch in die Luft gesaugt, dann war alles still, bis die Gondel unversehens laut knarrte und sich gefährlich neigte. Irgendwo weit unter uns schrie jemand. Wir waren jetzt ganz oben angekommen, und als ich nach unten sah, entdeckte ich, dass der arme Kevin sich an Onkel Buddys Knöcheln festhielt und beide Männer hin und her schwangen wie ein riesiges Pendel. Ich griff nach meinem Onkel und schrie: »Halt dich fest, ich ziehe dich hoch!«
    »Oh ja, tu das, du Heldenmädchen!«, kreischte der arme Kevin. »Denn wenn du ihn hochziehst, ziehst du auch mich hoch! Zieh mich rein, schmeiß mich wieder raus, ich komme immer wieder! Ich gebe niemals auf, nie … niemals!«
    Onkel Buddy sah mich entschlossen an. Seine Augen waren klar und blank, als er flüsterte: »Sag deinem Vater von mir … und deiner Mutter … sag ihnen …«
    »Onkel Buddy! Nein!«
    Er gab keinen Laut von sich, als er losließ.
    Der arme Kevin schrie wie ein Mädchen, bis er unten auf den Beton prallte.
    Es war kein Panzer, aber es reichte.
    Ich zog Lou an mich, hielt ihn ganz fest und spürte, wie das Riesenrad allmählich den Abstieg begann. Lou löste sich langsam von mir und sah über den Rand, und ich beobachtete ebenfalls, wie sich eine Gruppe Menschen, klein wie Ameisen, um die zwei verdrehten, blutenden Körper scharte. Lous Kopf bewegte sich, und ich folgte seinem Blick über die Menge hinweg zum Ende des Piers. Selbst hier oben, dreißig Meter hoch in der Luft, hörte ich die lockende Klingelmelodie eines Eiswagens. Ohne mich anzusehen, sagte er: »Wir haben unter den Entführern eine Freundin, Sara Jane. Eine einzige Freundin. Sie hat mich hierher gebracht, und jetzt muss sie mich zurückbringen.«
    »Nein«, sagte ich und fühlte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen und es mir die Brust zuschnürte. »Bitte.«
    »Soll ich Mom und Dad irgendwas sagen?«, fragte er.
    Die Erleichterung darüber, dass meine Familie noch lebte, wurde erstickt von einem schrecklichen Gefühl von Isolation, weil ich noch nicht bei ihnen sein konnte und niemand in Sicherheit war. »Sag ihnen … sag ihnen, dass sie uns das nicht hätten antun dürfen, verdammt«, stieß ich hervor, während Tränen aus meinen Augen rannen. »Es ist ihre Schuld, das alles ist ihre Schuld, weil sie uns nichts gesagt haben … sie haben uns nicht gewarnt oder uns gesagt, wer wir wirklich sind. Und bitte, Lou … bitte … bitte sag ihnen, dass ich sie liebe.« Mein Bruder nickte, und vielleicht lag es an den Drähten, die sie an seinem Kopf angebracht hatten, oder daran, dass er erst zwölf war und ihn die ganze Situation überforderte, aber sein Gesicht war, seit wir uns getroffen hatten, abgesehen von der blutenden Nase völlig blass und ausdruckslos geblieben. Sirenen durchschnitten die Luft, und ich sah jetzt, wie nahe wir dem Boden waren. »Hör nicht auf, an mich zu glauben«, sagte ich. »Was auch immer geschehen wird, ich werde euch retten. Vergiss nicht … ich habe das Notizbuch.«
    Die Gondel war noch sechs Meter vom Boden entfernt, dann nur noch zwei, und dann blinzelte Lou, als ob er mich zum ersten Mal sah. Ein Mundwinkel hob sich zu einem kleinen Lächeln und er streckte den kleinen Finger aus. »Alles oder nichts«, sagte er leise. »Okay?«
    Ich schlang meinen kleinen Finger um seinen und sagte: »Alles oder nichts«, dann fühlte ich, wie er mir etwas in die Hand schob. Es war kalt und hart, und ich starrte auf den goldenen Siegelring meiner Mutter, von dem mir das Rispoli-R aus kleinen, kantigen Diamanten entgegenfunkelte. Als ich aufsah, war Lou verschwunden. Die Tür schwang träge hin und her, und ich sprang aus der Gondel und drängte mich hastig durch die Menge, bevor mich irgendwelche Uniformierten erwischen konnten. Als ich weit genug weg war, blieb ich stehen und sah mich nach meinem Bruder um, aber es war, als hätte er nie existiert.
    Aber das tat er.
    Meine Mom, mein Dad – sie alle existierten in dieser Realität, irgendwo in dieser Stadt voller Geheimnisse und Lügen.
    Manchmal muss man töten, um zu leben. Ich wusste jetzt, dass ich dazu in der Lage war, und noch so viel mehr.

25
    Ich bin überzeugt, dass es überall in der ganzen Welt die verschiedensten Arten von Capone-Türen gibt – verborgene schwarze Löcher, durch die Menschen ein Leben hinter sich lassen und in ein anderes treten, um dann, wenn die
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