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Willkommen in der Wirklichkeit

Willkommen in der Wirklichkeit

Titel: Willkommen in der Wirklichkeit
Autoren: Uwe Anton
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Uwe Anton
Philip K. Dicks Halbleben
Ein Vorwort
     
    Willkommen in der Wirklichkeit … die es ja, zumindest der Auffassung Philip K. Dicks zufolge, nicht unbedingt geben muß. Vielleicht besteht jedoch nicht nur Philip K. Dicks, sondern unser aller Wirklichkeit aus Alpträumen – nicht unbedingt den kafkaesken, die wir erfahren, wenn wir etwa bei Behörden einen Antrag stellen, auch nicht aus den dickesken, die sich vielleicht ergeben, wenn wir nach zu intensiver Lektüre von Dicks Roman UBIK am nächsten Morgen aufwachen und uns fragen, warum alle Geldnoten plötzlich unser eigenes Bild tragen. Nein, unsere Alpträume können viel realer sein.
    Als ich 1983 auf den Spuren Philip K. Dicks durch Nord- und Südkalifornien reiste und Fotos von seinen zahlreichen Wohnsitzen machte (die sich übereinstimmend mit der Steigerung an eingehenden Auslandstantiemen und Einkünften aus dem Blade Runner- Projektkontinuierlich von eher bescheidenen Holzhäusern in Leichtbauweise bis zu einem hochsicherheitstraktartigen Eigentumswohnungskomplex verbesserten, der ohne Stimm- und Gesichtskontrolle gar nicht zu betreten war), erlebte ich einige Situationen, die zwar nicht unbedingt alptraumhaft, aber doch durchaus befremdlich anmuten konnten.
    Zum einen, als ich mich in der Ortschaft San Rafael, nördlich von San Francisco, im Marin County, der Adresse 707 Hacienda Way näherte, jenem Haus, das Dick 1971 bewohnt hatte und in das ein nie ganz geklärter Einbruch verübt worden war (vgl. mein Nachwort zu Philip K. Dick, EINE ANDERE WELT, Heyne 06/30). Der offensichtlich neue Besitzer des Hauses, der gerade den Rasen mähte, wandte sich neugierig und – wie es nun einmal die Art der Amerikaner ist – ein wenig mißtrauisch zu uns um, als wir mit unserem Leihwagen vor seinem Grundstück hielten, und ich glaubte, einem Zwillingsbruder von Philip K. Dick gegenüberzustehen, so frappierend war die Ähnlichkeit, die der Mann mit dem Dick der achtziger Jahre aufzuweisen hatte. Nein, er wisse nicht, daß hier früher ein Schriftsteller gewohnt habe. Ja, als er 1972 hier eingezogen sei, habe er deutliche Spuren eines Einbruchs an Türen und Wänden feststellen können; aber die habe er – es waren mittlerweile über zehn Jahre vergangen – natürlich schon längst beseitigt. Doch er wolle sich gern einmal umhören, ob seine Nachbarn vielleicht etwas über diesen Einbruch wüßten, und ich solle ihm doch gelegentlich einmal schreiben. Sein Name, sagte er mit der beiläufigen, zu nichts verpflichtenden Freundlichkeit, die den Amerikanern zu eigen ist – sei Dick. Dick Moore.
    Das zweite seltsame Erlebnis ließ nicht lange auf sich warten. Als ich kurz darauf in Point Reyes Station ein Gespräch mit Philip K. Dicks dritter Frau Anne führte, wurden wir beim geeisten Pfefferminztee kurz durch das Klingeln des Telefons unterbrochen. »Entschuldigung«, meinte Anne Dick, als sie zu uns zurückkehrte, »aber das war wieder dieser Journalist. Er ist der felsenfesten Überzeugung, Phil sei noch am Leben und würde sich bei mir verstecken. Er ruft ständig bei mir an und fordert mich auf, Phil ans Telefon zu holen.«
    Ob es denn einen Grund für seine wahnwitzige Annahme gäbe, fragte ich. Nun ja, meinte Anne Dick, es habe einige Unregelmäßigkeiten bei Philip K. Dicks Tod gegeben.
    Unregelmäßigkeiten, die der Journalist David Alcott in seinem am 28. August 1983 im Oakland Tribune erschienenen Artikel »Mystery still surrounds death of local sci-fi writer« – »Noch immer Geheimnisse um den Tod eines hier ansässigen SF-Autors« – reißerisch der Öffentlichkeit präsentierte: In den ersten Tagen im Krankenhaus habe Dick trotz der Lähmungen des Schlaganfalls gut ausgesehen. Dann sei er über Nacht in ein Koma gefallen, und die Ärzte hätten den Gehirntod festgestellt. Kein Familienangehöriger habe die Leiche identifiziert; Dick sei überstürzt eingeäschert worden. Sein persönlicher Besitz, den man auf 500.000 bis 750.000 Dollar schätzte, sei verschwunden.
    Philip K. Dick, so deutet David Alcott an, habe seinen Tod eventuell nur inszeniert, um endlich sein Image als SF-Autor abzuschütteln und die Bücher schreiben und veröffentlichen zu können, die er schon immer schreiben und veröffentlichen wollte.
    Vielleicht … ist es aber auch ganz anders …
     
    Assoziationen zu Dicks bereits oben erwähnten Roman UBIK tun sich auf. In diesem Meisterwerk der Science-Fiction-Literatur gerät ein Anti-Psi-Team bei einem Einsatz auf dem
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