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Der Heiratsspezialist

Der Heiratsspezialist

Titel: Der Heiratsspezialist
Autoren: Heinz G. Konsalik
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1. Teil
    Niemand wunderte sich, daß Robert Brook keine große Trauer und auch keine sichtbare Ergriffenheit zeigte. Er stand am Grab mit gefalteten Händen, hörte geduldig den Worten von Pfarrer William McDolland zu, blickte ab und zu in die Runde der Trauergäste und sah, daß sie ihn alle verstohlen anstarrten und musterten, wandte sich dann wieder dem in die Grube heruntergelassenen Sarg zu und zuckte zusammen, als McDolland laut »Amen« sagte.
    Er drückte einigen Menschen, die er nicht kannte, die Hände, ging dann zu seinem alten verbeulten Dodge und fuhr davon. Das war es also, dachte er. Mach's gut im Himmel, Onkel Steve. Sag Petrus, daß du immer fleißig gewesen bist und trotzdem nichts auf die Beine gestellt hast, das dich in den Millionärsclub hätte bringen können. Sag ihm, daß du ein Leben hinter dir hast, das gleichförmig und ruhig war wie eine Pfütze an einem windstillen Sommertag. Und sag ihm vor allem, daß du so gemein gewesen bist, mich zum Alleinerben einzusetzen und nach Las Vegas zu locken, in diese Hotel- und Budenstadt, wo selbst die Kleiderausschnitte der Huren aussehen wie Spielautomatenschlitze.
    O wie hasse ich diese Stadt! Wenn ich als Kind in den Ferien zu Onkel Steve Hamilton geschickt wurde – er war schließlich Mamas Bruder und einziger Verwandter –, dann ging es meistens nur die ersten drei Tage gut. Danach lag ich dann acht Tage mit einer massiven Magenschleimhaut-Unterkühlung im Bett, denn Onkel Steve war Besitzer eines Ice-Saloons. Tag und Nacht geöffnet! Am Tag wackelte die große Eiswaffel-Attrappe auf einem stählernen Mast über der Bruchbude, und in der Nacht veränderten bunte Leuchtröhren die Füllung der Waffel.
    Onkel Steve war geradezu pathologisch stolz auf seine sich drehende und schwabbelnde Eiswaffel über dem Dach. Er nahm den kleinen Robert nachts mit auf die Straße, erklärte ihm: »Grün – das ist Pistazieneis, Rot – das ist Himbeer, Braun – na, Kleiner, natürlich Schokolade. Hellbraun – ha, ein Pralinéeis. Gelb – Zitrone, Zitrone! Blaßweiß – krumm ist die Banane …«, es war fürchterlich. Für jedes Eis hatte er einen Spruch zur Hand, und den brachte er sogar an, wenn Kunden seine Ware kauften.
    Wenn man als Kind so etwas sieben Jahre hintereinander mitmacht, bleibt das in der Seele hängen, auch wenn man inzwischen 35 Jahre geworden ist. Las Vegas war jedenfalls ein Ort geworden, den Robert Brook mied, so gut er konnte, und auch als Onkel Steve anfing zu kränkeln und um Hilfe bat, fuhr Robert nur zweimal hin und stand sechs Wochen hinter der Eistheke, während Steve Hamilton sich an der Pazifikküste erholte. Robert entwickelte einen bombigen Haß gegen diese Stadt. Vor allem der Nachtdienst setzte ihm zu. Entweder kam überhaupt keiner außer ein oder zwei Pennern, die kein Eis wollten, sondern was zu saufen, oder es fuhr eine Armada von chromblitzenden Blechkisten vor, und ein Schwarm pausierender Huren besetzte die Plastikstühle. »Heran mit den Leckerchen!« riefen sie und kreischten vor Vergnügen. »Seht euch den süßen Jungen an. So cool, als hätte man ihn durch die Eismaschine gedreht!«
    Nicht, daß Robert Brook ein prüder Bursche war, der beim Durchblättern des Playboy Atembeschwerden bekam, aber er hatte andere Pläne, als Eisportionen abzustechen oder Softeis aus dem Hahn zischen zu lassen, Mixgetränke aus Milch zu schütteln und Cassatablöcke zu zerschneiden. Er wollte Musik studieren, Dirigent werden oder Virtuose – als er jedoch mit dem Studium begann, wußte er nicht, für welches Instrument er sich entscheiden sollte, für Trompete oder Klavier.
    Onkel Steve war da keine Stütze. Er schrieb damals nach Atlanta, wo Robert mit Mama wohnte: »Ein Klavierspieler im ›Golden Nugget‹ – und die bezahlen am besten – bekommt 130 Dollar die Woche! Ein Trompeter vielleicht 200 Dollar, es sei denn, er bläst wie Armstrong. Da aber anzunehmen ist, daß aus unserer Familie kein Genie hervorgeht – mich träfe sonst der Schlag! –, ist es besser, der Junge kommt zu mir in den Ice-Saloon, lernt, wie man Sahneeis aus 50 Prozent Wasserzusatz macht und arme staatliche Kontrolleure unterstützt. Bei mir kann der Junge das Leben kennenlernen!«
    Robert Brook wehrte sich dagegen mit Händen und Füßen, studierte in Atlanta und mußte nur in einem Punkt Onkel Steve recht geben: In der Familie Brook-Hamilton gab es keine Genies.
    Nun hatte sich Onkel Steve gerächt: Er war wie ein Held gestorben – das hatte
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