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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: T. M. Goeglein
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VORSPIEL
    Mein Name lautet Sara Jane Rispoli.
    Vor wenigen Wochen bin ich sechzehn geworden. Süße sechzehn, wie man ja immer sagt.
    Bis jetzt war gar nichts Süßes an der Sechzehn.
    Ich habe eine Zahnspange, so eine dicke, durchsichtige, mit der meine Zähne aussehen, als wären sie zu groß für meinen Mund und meine Lippen zu schmal, um sich richtig über ihnen zu schließen.
    Ich habe schöne Haare und meine Haut ist ganz in Ordnung, aber ich habe eine Hakennase, die mein ganzes Gesicht beherrscht und die ich mir eines Tages unbedingt richten lassen will.
    Ich habe einen Fahranfänger-Ausweis, aber keinen richtigen Führerschein, allerdings kutschiere ich mit dem alten Lincoln Continental von meinem Vater schon herum, seit ich dreizehn bin, keine große Sache.
    Ich habe einen Freund – oder sagen wir, es gibt da einen Jungen, der mich wie einen Kumpel behandelt und nicht so, wie ich gern behandelt werden würde. Auch keine große Sache.
    Und ich habe einen Aktenkoffer aus Aluminium, und in diesem Aktenkoffer sind sechsundneunzigtausend Dollar Bargeld, eine American Express Card Black auf meinen Namen, eine Sig Sauer Kaliber .45, die man unauffällig bei sich tragen kann, und ein altes, in Leder gebundenes Notizbuch, das so viele ungewöhnliche Fakten, unentzifferbare Notizen und Geheimnummern enthält, dass es nur noch von Klebefilm und Gummibändern zusammengehalten wird.
    Das Notizbuch ist der Grund, weswegen ich die Waffe habe.
    Was ich nicht mehr habe, das sind meine Eltern und mein kleiner Bruder.
    Sie sind entweder tot und nicht mehr da oder nur tot oder nur nicht mehr da.
    Ich bin nicht bei Friendbook.
    Ich bin nicht bei ISpace.
    Mein Mobiltelefon habe ich vor ein paar Wochen in den Michigansee geworfen.
    Ich werde beobachtet, verfolgt, abgehört und bespitzelt, und wenn sich die Gelegenheit bietet, dann werden die Beobachter und Verfolger versuchen, mich zu fangen, und die Abhörer und Spitzel werden versuchen, mich zu töten.
    Solange ich in Bewegung bleibe, sollte mir nichts passieren.
    Solange ich das Notizbuch habe, sollte ich am Leben bleiben.
    So habe ich mir das Leben nicht vorgestellt, als ich süße Sechzehn wurde.

1
    Von den Schülern meiner Schule, der Casimir Fepinsky Preparatory (allgemein nur Fep Prep genannt), wird verlangt, dass sie über ihre Zeit an der Highschool Tagebuch führen.
    Gerade habe ich die ersten beiden Seiten noch einmal gelesen, und was dort steht, ist schon echt heftig.
    Ich meine, wie viele Schüler können von einem Leben auf der Flucht berichten, oder davon, wie sie zu Selbstjustiz greifen, um sich zu verteidigen?
    Aber um mal bei der Wahrheit zu bleiben, ich würde kein Tagebuch führen, wenn ich nicht müsste. Normalerweise neige ich nicht dazu, Details aus meinem Leben mit anderen zu teilen. Bloggen betrachte ich als ziemliche Egoschau, und Twittern grenzt schon fast an Schwachsinn. Will die Welt wirklich wissen, dass ich gerade einen Bagel mit Zwiebeln gegessen habe, und wird es lustiger, wenn ich es mit LOL kommentiere? Klingt das nicht irgendwie, als sei man komplett verrückt?
    Allerdings habe ich auch deshalb immer weitergeschrieben, weil mir das hilft, nicht völlig den Verstand zu verlieren.
    Aber der andere, wesentlich wichtigere Grund ist, dass ich hoffe, auf diese Weise einen Weg zu finden, der mich zu meiner Familie führt.
    Eine meiner Lieblingslehrerinnen, Miss Ishikawa, unterrichtet Englische Literatur. Sie ist weise und winzig klein, wie ein energiegeladener Hamster mit Brille. Als Richtlinie für das Tagebuchschreiben gab sie uns eine Zeile aus Shakespeares Der Sturm mit auf den Weg: »Und dadurch sie ersehn zu einer Handlung, wovon, was jetzt geschah, ein Vorspiel ist.« Im Klartext: Die Gegenwart baut auf jene Ereignisse auf, die ihr vorangegangen sind.
    Deswegen habe ich beschlossen, in der Vergangenheit nach Informationen zu schürfen und dieses Tagebuch gewissermaßen als Lager zu benutzen – als einen Ort, an dem ich die Fakten sortieren kann, bis hin zu dem Augenblick, als meine Familie verschwand.
    Diese blutige, schreckliche Nacht wurde zum Ausgangspunkt einer Suche – nach meinen Eltern und meinem Bruder, aber auch nach der Wahrheit darüber, wer und was wir wirklich sind. Dazu ist viel Geduld und Konzentration nötig, aber ich muss auch Zusammenhänge aufdecken, über die ich noch sehr wenig weiß. Ohne das Wissen um das, was vor dieser Nacht geschah, wird mir das so wenig gelingen, wie ich ein unvollständiges Puzzle zusammensetzen
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