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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: T. M. Goeglein
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Informationen über andere Süßwarenunternehmen aus Chicago auf Lager gehabt hätte. Falls die Mitarbeiter der Firma gewerkschaftlich organisiert waren, dann würde Knuckles vielleicht auch irgendetwas wissen, denn schließlich fiel die Bereitstellung von Streikbrechern in seinen Aufgabenbereich. Und dann gab es natürlich immer noch meine ganz persönliche Bibel, das Notizbuch. Wenn das Unternehmen Mister Kreamy Kone auch nur das Geringste mit dem Outfit zu tun hatte, dann würde etwas darüber drinstehen. Aber jetzt hatte ich nicht die Zeit, mich in Notizen zu vertiefen. Jetzt war die Zeit gekommen, wo ich meinen Verstand und meinen Mut zusammennehmen musste für das, was um zwölf Uhr mittags auf mich wartete.
    »Gibt’s sonst noch etwas?«, fragte Doug.
    »Ja«, sagte ich. »Wenn ich nicht wiederkomme, kümmerst du dich dann um Harry?«
    »Du musst wiederkommen«, sagte Doug. »Wir haben nächste Woche Abschlussprüfungen.«
    Mir wurde klar, dass ich schon seit fast drei langen Wochen kein bisschen Italienisch mehr gelernt hatte.
    Ich schnappte mir mein Italienisch-Englisch-Wörterbuch und schlug drei Wörter nach.
    destino – Schicksal
    resa dei conti – Abrechnung
    vendetta – Rache.

24
    Um zehn vor zwölf war die kühle Morgenluft einer Sonne gewichen, die so sehr brannte, als ob Nägel in meinen Kopf getrieben wurden.
    Es gab keinen Wind, keine Wolken, nur Licht und Hitze.
    Der technicolorblaue Himmel sah billig und unecht aus, und es machte mich nervös, auf offener Straße unterwegs zu sein.
    Am Eingang zum Navy Pier blieb ich stehen und beobachtete die umherschlendernden Touristen, die Plastiktüten mit teurem Schrott mit sich herumtrugen und große, süße, bunte und ungesunde Dinge aßen, und dann betrat ich vorsichtig die Seebrücke. Auf dem kurzen Weg überfiel mich zweimal eine solche Paranoia, dass ich halb geduckt herumwirbelte, um dann bloß langsam flanierende Leute mit Kameras, Gürteltaschen und Zuckerwatte auf mich zukommen zu sehen. Aus lauter Anspannung musste ich gähnen und mein Herz schlug unregelmäßig – beides Zeichen einer Überdosis Adrenalin –, dann hielt ich inne.
    Ich stand in einem riesigen, runden Schatten.
    Mit der Hand schützte ich meine Augen und sah nach oben.
    Fünfzig Meter hoch aufragend drehte sich das Riesenrad langsam im Kreis.
    Mein Bruder Lou ist zwölf Jahre alt, und in dieser Zeitspanne hat er seinen Lieblingsfilm, Der dritte Mann , ungefähr hundert Mal gesehen. Er hat sich den gesamten Film eingeprägt, aber seine Lieblingsszene ist die, in der Holly Martins seinen Freund Harry Lime, den er für tot gehalten hat, tatsächlich wiedersieht. Wie sich herausstellt, hat Harry seinen Tod nur vorgetäuscht und ist untergetaucht, um der Strafe für ein schreckliches Verbrechen zu entgehen. Harry fühlt sich nicht schlecht oder schuldig wegen seiner Taten, er betrachtet sich lediglich als Opportunisten, jemanden, der das Beste aus einer Situation herausholt (und natürlich auch reichlich Profit). Um seinen Standpunkt zu untermauern, hält Harry eine kleine Rede, in der er die Unmoral einer italienischen Fürstenfamilie mit der soliden Demokratie der Schweiz vergleicht.
    Jedes Mal, wenn wir die Szene sahen, sprach Lou den Monolog von Harry Lime mit.
    Er begann: »In Italien, in den dreißig Jahren unter den Borgias hat es nur Krieg gegeben, Terror, Mord und Blut …«
    Harry hält seinen Vortrag über kriminelle Kreativität nach dem Treffen in der Gondel eines Riesenrads.
    Für Lou war das immer ein genialer Treffpunkt, weil es zwar auf der Erde ist, aber trotzdem in der Luft, ein ganz öffentlicher Ort, aber gleichzeitig abgeschieden und privat. Und natürlich wusste er, dass mir seine Begeisterung für diese entscheidende Szene im Gedächtnis sein würde. Und so trat ich auf die Plattform, mein Herz schlug wild in meiner Brust, und ich sah bummelnde Touristen, wartende Touristen, in die Luft guckende Touristen, aber sonst niemanden. Aber dann –
    »Sara Jane.«
    Er war hinter mir, und ich drehte mich um zu einem Jungen, der mein Bruder war und doch wieder nicht.
    Er war kreidebleich und hatte tiefe Ringe unter den Augen, und sein dichtes, schwarzes Haar war ganz kurz rasiert worden.
    Dazu trug er nicht seine eigene Kleidung, sondern zu große Jeans, ein blassgrünes Krankenhaushemd und darüber eine Jacke, die für einen solchen Tag viel zu warm war.
    Ohne ein Wort wandte er sich um und ging zum Riesenrad hinauf. Ich folgte ihm, während er am Eingang zwei
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