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Riskante Weihnachten

Riskante Weihnachten

Titel: Riskante Weihnachten
Autoren: Stefanie Ross
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    Sechs Monate Kunduz waren mehr als genug. Nichts als Staub, Dreck und lebensgefährliche Aufgaben, die nichts an der erbärmlichen Situation des Landes änderten. Andreas Pohl, Major beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr, reichte es. Aber ein Ende war absehbar. In knapp acht Stunden würde der Airbus der Bundeswehr Richtung Frankfurt abheben, und von dort aus war der Weiterflug nach Hamburg nur noch eine lästige Kleinigkeit.
    Dennoch lag die Zeit bis zum Abflug wie eine der endlosen Sandpisten, die so typisch für diese Region waren, vor ihm. Zum gefühlten hundertsten Mal an diesem Tag nahm Andi das Foto von Anna und Charlie, ihrer Tochter, aus der Brusttasche seines Tarnanzugs. Beide lachten in die Kamera, im Hintergrund blühte der gelbe Busch, dessen Namen er ständig vergaß. Seitdem sie in sein Leben getreten waren – oder besser gestürmt, denn die beiden waren wahre Temperamentsbündel –, hatte er endlich ein Zuhause und jemanden, der auf ihn wartete. Allerdings musste er nun auch mit einer Ungeduld fertig werden, die ihm früher fremd gewesen war. Dazu kam, dass er Anna während seiner Auslandsaufenthalte mehr vermisste, als er je für möglich gehalten hatte. Und das galt nicht nur für seine Frau, sondern auch für Charlie, die er nicht nur formell adoptiert hatte, sondern längst wie ein leibliches Kind liebte. Kurz vor Weihnachten war die Sehnsucht nach seiner Familie noch größer als sonst.
    Das ging nicht nur ihm so, seine Männer waren nicht weniger begierig darauf, die Weihnachtstage zu Hause zu verbringen. Doch von einer latenten Ungeduld abgesehen war die Stimmung ausgesprochen gut. Letzte Sachen wurden in Rucksäcken verstaut, und die gewohnten Frotzeleien flogen durch das Zelt, das ihnen in den letzten Wochen als Unterkunft gedient hatte und die Ausmaße eines kleinen Bungalows hatte. Keiner von ihnen mochte die engen Wohncontainer, sodass sie bereitwillig eine dieser provisorischen Konstruktionen aus Planen und Brettern gewählt hatten. Wie immer hatte Andi auf die Privilegien seines Rangs verzichtet und war bei seinen Männern geblieben. Die enge Verbundenheit zwischen ihnen war nicht selbstverständlich, und Andi war als Teamchef dankbar dafür, dass sie sich so gut verstanden und ergänzten.
    Wolf, der grauhaarige Oberfeldwebel, kam auf ihn zu. Wenn Andi seine Miene richtig deutete, drohte ein mittleres Gewitter. Er blieb so dicht vor ihm stehen, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Andi wich vorsichtshalber unauffällig etwas zurück.
    »Willst du wirklich noch mal in die Stadt, Boss?« Wolf kaute noch heftiger als sonst auf seinem Kaugummi herum, ohne den man ihn nie antraf.
    »Ja. Erstens ist das besser, als hier sechs Stunden mit euch herumzusitzen. Zweitens habe ich eine Absprache mit dem Afghanen und werde die einhalten. Immerhin ist das einer der wenigen wirklich positiven Kontakte, die wir hier hatten. Drittens dauert das Ganze keine halbe Stunde und hat auch für mich einen riesigen Vorteil. Raus aus dem Jeep, Tauschgeschäft erledigen und zurück. Beruhig dich, Papa.«
    »Nur wenn du brav deine Splitterweste anziehst und dein Gewehr mitnimmst, mein Sohn.«
    Lachend warf Andi ihm ein zusammengefaltetes Handtuch an den Kopf. »Hatte ich vor.«
    »Außerdem fahre ich mit und pass auf ihn auf«, verkündete Mike, sein Stellvertreter und Freund, und ließ sich rücklings auf das harte Feldbett fallen. Er verdrehte die Augen. »Liebe muss was Schönes sein.«
    Abwägend betrachtete Andi das Taschenbuch von Tom Clancy und entschied, dass es nicht zu dick war. Mit einem gezielten Wurf landete es in Mikes Magengegend, der sich nach Luft schnappend zusammenkrümmte. »Verdammt, das ist eindeutig Misshandlung von Untergebenen. Wo ist das Beschwerdeformular?«
    »Such es dir selbst aus der Formulardatenbank raus, Leutnant. Viel Spaß beim Ausfüllen.«
    »Oberleutnant bitte, Herr Major.«
    Kopfschüttelnd gab Andi auf. Da Mikes längst überfällige Beförderung erst ein paar Tage zurücklag, hatte er sich noch nicht an die neue Anrede gewöhnt, zumal im Team niemand Wert auf Vorschriften und Formalitäten legte. Er betrachtete seinen Freund, der dringend eine Rasur gebrauchen konnte und dem die blonden Haare weit in den Nacken fielen. Sie waren nicht nur äußerlich totale Gegensätze. Mikes freche, lässige und seine eigene ruhige Art ergänzten sich perfekt, vielleicht waren sie gerade deshalb so eng befreundet.
    Seufzend stand Mike auf. »Also gut, zwanzig Dollar
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