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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
Autoren: H. P. Lovecraft
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nicht wussten, was geschah, gaben sie ihre Wacht nicht auf; und einen Augenblick später sprachen sie ein Gebet, als ein heftiger verspäteter Blitz, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnern, den bewölkten Himmel zerriss. Eine halbe Stunde später hörte der Regen auf, und nach weiteren fünfzehn Minuten erstrahlten die Straßenlaternen wieder und schickten die erschöpften, durchnässten Beobachter erleichtert nach Hause.
    Am nächsten Tag fanden diese Geschehnisse in den Zeitungen nur beiläufig Erwähnung in Zusammenhang mit den allgemeinen Berichten über den Sturm. Es scheint, als wären der heftige Blitz und die betäubende Explosion nach dem Vorfall auf dem Federal Hill weiter östlich noch gewaltiger gewesen, wo man gleichfalls eine Welle des einzigartigen Fäulnisgeruchs wahrgenommen hatte. Das Phänomen war über dem College Hill am ausgeprägtesten gewesen, wo der Knall alle Anwohner aus dem Schlaf gerissen und zu erstaunten Spekulationen geführt hatte. Von jenen, die bereits wach gewesen waren, sahen nur wenige den absonderlichen Lichtblitz nahe der Hügelspitze und bemerkten den unerklärlichen, nach oben gerichteten Luftstrom, der die Bäume fast des Laubes beraubt und die Pflanzen in den Gärten entwurzelt hatte. Man war sich darin einig, dass der einzelne plötzliche Blitz irgendwo in der Nachbarschaft eingeschlagen haben musste, obwohl man später keinerlei Hinweis darauf fand. Ein Student im Haus der Tau-Omega-Burschenschaft glaubte, im selben Moment, als der Blitz einschlug, eine groteske und scheußliche Rauchmasse in der Luft gesehen zu haben, doch wurde seine Beobachtung von niemandem sonst bestätigt. Von den wenigen Beobachtern waren sich jedoch alle über den heftigen Luftstoß aus dem Westen und die Welle unerträglichen Gestanks einig, die dem Rauch vorangingen; Aussagen hinsichtlich des zeitweise auftretenden Brandgeruches nach dem Einschlag stimmen ebenfalls überein.
    Diese Aspekte wurden mit großer Aufmerksamkeit diskutiert, da sie vermutlich mit dem Tode Robert Blakes in Verbindung stehen. Studenten im Psi-Delta-Haus, aus dessen oberen, nach hinten weisenden Fenstern man in Blakes Arbeitszimmer blicken konnte, hatten am Morgen des 9. das verschwommene weiße Gesicht am westlichen Fenster bemerkt und sich gefragt, was mit dem Gesichtsausdruck nicht stimmen mochte. Als sie an jenem Abend dasselbe Gesicht in derselben Position gesehen hatten, waren sie besorgt und beobachteten, ob das Licht in Blakes Wohnung eingeschaltet wurde. Später klingelten sie an der Tür des finsteren Hauses und ließen schließlich von einem Polizisten die Tür mit Gewalt öffnen.
    Der starre Leichnam saß aufrecht am Schreibtisch vor dem Fenster, und als die Eindringlinge die schimmernden, hervorgetretenen Augen und die Spuren blanker, krampfhafter Angst auf dem verzerrten Gesicht sahen, wandten sie sich angewidert und entsetzt ab. Bald darauf führte der Leichenbeschauer seine Untersuchung durch und erklärte ungeachtet des unbeschädigten Fensters einen elektrischen Schlag oder einen durch elektrische Entladung ausgelösten Nervenschock zur Todesursache. Den grausigen Gesichtsausdruck ließ er gänzlich außer Acht und hielt ihn für eine nicht unwahrscheinliche Folge des tiefen Schocks, den eine Person von solch abnormer Fantasie und unausgewogenem Gefühlsleben erlitten haben musste. Diese letztgenannten Eigenschaften leitete er aus den Büchern, Gemälden und Manuskripten ab, die man in der Wohnung fand, und aus den blindlings hingekritzelten Einträgen in dem Tagebuch, das auf dem Schreibtisch lag. Blake hatte seine hysterischen Notizen bis zuletzt fortgesetzt, und in seiner verkrampften Rechten fand man einen Bleistift mit abgebrochener Spitze.
    Die Einträge nach dem Stromausfall waren überaus unzusammenhängend und nur zum Teil lesbar. Aus ihnen haben gewisse Ermittler Schlussfolgerungen abgeleitet, die stark von dem materialistischen offiziellen Befund abweichen, doch finden solche Spekulationen bei konservativ Gesinnten wenig Glauben. Der Sache dieser einfallsreichen Theoretiker wurde durch die Tat des abergläubischen Dr. Dexter nicht gerade geholfen, der die sonderbare Kiste und den winkeligen Stein – ein fraglos von selbst leuchtendes Objekt, wie man in dem finsteren, fensterlosen Turm gesehen hatte, wo es gefunden worden war – in die tiefste Stelle der Narragansett Bay warf. Überbordende Fantasie und neurotische Unausgeglichenheit auf Blakes Seite, gesteigert durch das Wissen um die
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