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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
Autoren: H. P. Lovecraft
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musste das Licht im Haus ausgeschaltet lassen, um aus dem Fenster sehen zu können, und es scheint, dass er die meiste Zeit am Schreibtisch zubrachte, wo er ängstlich durch den Regen über die nass glänzenden Kilometer der Dächer der Innenstadt auf die Konstellation ferner Lichter spähte, die Federal Hill kennzeichnete. Dann und wann machte er einen ungeschickten Eintrag in sein Tagebuch, sodass man vereinzelte Sätze wie: »Die Lichter dürfen nicht ausgehen«; »Es weiß, wo ich bin«; »Ich muss es vernichten« und »Es ruft mich, aber vielleicht will es mir diesmal keinen Schaden zufügen« über zwei Seiten hinweg verstreut findet.
    Dann gingen in der ganzen Stadt die Lichter aus. Dies geschah laut den Aufzeichnungen des Elektrizitätswerkes um 2.12 Uhr, Blakes Tagebuch liefert indes keine Zeitangabe. Der Eintrag lautet lediglich: »Lichter aus – Gott steh mir bei.« Auf dem Federal Hill gab es ebenso ängstliche Beobachter wie ihn, und regendurchtränkte Menschenketten umstanden den Platz und die Gassen um die böse Kirche mit schirmgeschützten Kerzen, elektrischen Taschenlampen, Öllampen, Kruzifixen und obskuren Talismanen verschiedenster Art, wie sie in Süditalien üblich sind. Sie segneten jeden aufzuckenden Blitz und machten vor Angst rätselhafte Zeichen, als die Blitze nachließen und schließlich ganz aufhörten. Ein stärkerer Wind blies die meisten der Kerzen aus, sodass der Ort bedrohlich dunkel wurde. Jemand weckte Pater Merluzzo von der Kirche Santo Spirito, und er eilte auf den trostlosen Platz, um jede hilfreiche Silbe zu rezitieren, die er kannte. Bezüglich der ruhelosen und eigenartigen Geräusche im schwarzen Turm konnte es keinerlei Zweifel geben.
    Für das, was sich um 2.35 Uhr zutrug, haben wir das Zeugnis des Priesters, eines jungen, intelligenten und gebildeten Mannes; des Streifenpolizisten William J. Monohan von der Hauptwache, eines höchst zuverlässigen Beamten, der an diesem Ort seine Streife unterbrochen hatte, um die Menge zu inspizieren; und von den meisten der achtundsiebzig Männer, die sich um die hohe Mauer der Kirche versammelt hatten – insbesondere jener auf dem Platz, von wo aus ihre ostwärts gelegene Fassade sichtbar war. Selbstverständlich geschah nichts, was erwiesenermaßen außerhalb der Naturgesetze gestanden hätte. Mögliche Ursachen für solch ein Ereignis gibt es viele. Niemand vermag, eine sichere Aussage über die obskuren chemischen Vorgänge in einem großen, uralten, schlecht belüfteten und lange verlassenen Gebäude zu treffen. Mephitische Dünste – Selbstentzündungen – Druck von Verwesungsgasen – jedes einzelne von unzähligen Phänomenen mochte die Verantwortung dafür tragen. Außerdem kann natürlich der Faktor einer bewussten Täuschung keineswegs ausgeschlossen werden. Die Sache an sich war wirklich recht einfach und dauerte weniger als drei Minuten. Pater Merluzzo, stets ein Mann von Genauigkeit, blickte wiederholt auf die Uhr.
    Es begann mit einem deutlichen Anschwellen der dumpfen Tastgeräusche im schwarzen Turm. Seit einiger Zeit war aus der Kirche ein undeutlicher, merkwürdiger übler Geruch gedrungen, und dieser war nun sehr stark und ekelerregend geworden. Dann erfolgte schließlich ein Geräusch splitternden Holzes und ein großer, schwerer Gegenstand schlug unter der finsteren östlichen Fassade im Hof auf. Der Turm war nun unsichtbar, da die Kerzen nicht mehr brannten, doch als das Objekt zu Boden fiel, wussten die Menschen, dass es sich um den rauchgeschwärzten Fensterladen des östlichen Turmfensters handelte.
    Unmittelbar darauf strömte ein gänzlich unerträglicher Gestank aus den unsichtbaren Höhen herab, der den zitternden Beobachtern vor Ekel die Kehlen zuschnürte und jene auf dem Platz fast niederstreckte. Zur selben Zeit bebte die Luft wie von den Schlägen flatternder Flügel, und ein plötzlich aus Osten wehender Wind, der heftiger als alle vorigen Böen war, riss der Menge die Hüte von den Köpfen und verbog die tropfenden Schirme. Nichts Bestimmtes war in der lichtlosen Nacht sichtbar, wenngleich einige der emporspähenden Zuschauer glaubten, vor dem pechschwarzen Himmel einen großen, sich ausbreitenden Fleck noch tieferer Finsternis zu sehen – etwa wie eine formlose Rauchwolke, die mit kometenhafter Geschwindigkeit gen Osten raste.
    Das war alles. Die Zuschauer waren halb betäubt vor Furcht, Verblüffung und Unbehagen und wussten kaum, was sie tun oder ob sie überhaupt etwas tun sollten. Da sie
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