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Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos II (German Edition)
Autoren: H. P. Lovecraft
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telefonisch. Besucher bemerkten die Seile neben seinem Bett, und er sagte, dass das Schlafwandeln ihn dazu gezwungen habe, jede Nacht seine Hand- und Fußgelenke festzubinden, was ihn vermutlich zurückhalten oder wenigstens wecken würde, sollte er versuchen, die Knoten zu lösen.
    In seinem Tagebuch berichtet er von dem grauenhaften Erlebnis, das den Zusammenbruch herbeigeführt hatte. Nachdem er sich in der Nacht des 30. zu Bett gelegt hatte, fand er sich plötzlich herumtastend in einem fast schwarzen Raum wieder. Sehen konnte er nur kurze, fahle, waagerechte Streifen bläulichen Lichtes, doch roch er eine überwältigende Fäulnis und hörte ein sonderbares Durcheinander sanfter, verstohlener Geräusche um sich her. Sobald er sich bewegte, stolperte er über etwas, und bei jedem Laut drang wie zur Antwort von oben ein Geräusch herab – eine undeutliche Regung, vermischt mit dem behutsamen Gleiten von Holz auf Holz.
    Einmal ertastete er mit den Händen einen Pfeiler aus Stein mit glatter Oberfläche, während er später die Sprossen einer Leiter in der Wand ergriff und sich unsicher seinen Weg nach oben ertastete, wo der Gestank noch heftiger war und wo ein brennend heißer Luftstoß auf ihn niederging. Vor seinen Augen tanzte ein kaleidoskopischer Reigen fantastischer Bilder, die sich in regelmäßigen Abständen in den Anblick eines gewaltigen, unergründlichen Abgrundes der Nacht auflösten, worin Sonnen und Welten von noch tieferer Finsternis wirbelten. Er dachte an die uralten Legenden vom Urchaos, in dessen Mitte sich der blinde Idiotengott Azathoth, der Herr Aller Dinge, ausbreitet und von einer hüpfenden Meute geistloser und unförmiger Tänzer umkreist wird, eingelullt vom dünnen, eintönigen Spiel einer von namenlosen Klauen gehaltenen dämonischen Flöte.
    Dann beendete ein heftiger Knall aus der Außenwelt Blakes Dämmerzustand und erweckte ihn zu dem unaussprechlichen Grauen seiner Lage. Was ihn bewirkt hatte, sollte er nie erfahren – vielleicht war es ein verspäteter Nachhall eines der Feuerwerke, die man den ganzen Sommer über auf dem Federal Hill hört, wenn die Einwohner ihre verschiedenen Schutzheiligen oder die Heiligen ihrer Heimatdörfer in Italien feiern. Auf jeden Fall schrie er laut auf, ließ sich hysterisch von der Leiter fallen und stolperte blindlings über den mit Hindernissen bedeckten Boden der fast lichtlosen Kammer, die ihn umgab.
    Er wusste sogleich, wo er sich befand, und stürzte verwegen die schmale Wendeltreppe hinab, wobei er bei jeder Biegung strauchelte und sich blaue Flecken schlug. Es folgte eine albtraumhafte Flucht durch ein gewaltiges Mittelschiff voller Spinnweben, dessen gespenstische Bögen in Welten lauernder Schatten hinaufreichten, das blinde Klettern durch den schuttgefüllten Keller, der Aufstieg in die Außenwelt mit ihrer frischen Luft und den Straßenlaternen und ein irres Rennen den unheimlichen Hügel hinab, durch eine düstere, schweigende Stadt hoher schwarzer Türme und den steilen, ostwärts gelegenen Hang hinauf zu seiner eigenen altertümlichen Haustüre.
    Als er am Morgen das Bewusstsein wiedererlangt hatte, lag er angekleidet auf dem Boden des Arbeitszimmers. Schmutz und Spinnweben bedeckten ihn und jeder Zoll seines Körpers schien wund und gequetscht. Beim Blick in den Spiegel sah er, dass sein Haar übel versengt war, während ein Hauch eines sonderbaren bösartigen Geruchs seiner Oberbekleidung anzuhaften schien. Da erlitt er einen Nervenzusammenbruch. Danach lungerte er erschöpft in einem Hausmantel herum und tat wenig anderes, als aus dem westlichen Fenster zu starren, bei der Andeutung eines Gewitters zu erschaudern und wilde Einträge in sein Tagebuch zu schreiben.
    Der große Sturm brach kurz vor Mitternacht am 8. August los. Blitze schlugen mehrmals in allen Teilen der Stadt ein, und zwei bemerkenswerte Kugelblitze wurden gemeldet. Es regnete in Sturzbächen, während eine nicht enden wollende Donnersalve Tausenden eine schlaflose Nacht bereitete. Blake war außer sich vor Angst um das Beleuchtungssystem und versuchte gegen ein Uhr, das Elektrizitätswerk anzurufen, obgleich zu diesem Zeitpunkt die Telefonverbindungen im Interesse der Sicherheit kurzfristig unterbrochen worden waren. Er zeichnete in seinem Tagebuch alles auf – die großen, nervösen und oftmals unleserlichen Hieroglyphen der Einträge, die im Dunkeln blindlings gekritzelt wurden, sind selbst ein beredtes Zeichen seiner wachsenden Panik und Verzweiflung.
    Er
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