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Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Titel: Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Autoren: Sean Chercover
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PROLOG
    New Orleans
    Der Betrüger war noch nicht eingetroffen, aber die Massen hatten sich bereits versammelt und der Jackson Square quoll über vor Menschen. Ein Meer lärmender Gläubiger erstreckte sich vom steinigen Ufer des Mississippi bis zur Bühne vor der strahlend weißen Fassade der Saint-Louis-Kathedrale. Ein tosender See von Gläubigen, die sich schwitzend unter der gnadenlosen Mittagssonne drängten.
    Einige hielten Transparente hoch.
    BEREUET UND IHR WERDET ERLÖST
BEREITET EUCH VOR AUF DIE GLÜCKSELIGKEIT
TRINITY SPRICHT FÜR DIE DREIFALTIGKEIT
    Idioten.
    Der Mann fragte sich, ob ihm ein sauberer Schuss gelingen würde.
Es liegt in Gottes Hand.
Er trat vom Fenster zurück und überprüfte noch einmal den Verschluss des gut geölten Gewehrs, das in dem Zimmer für ihn hinterlegt worden war.
Klick-klack
. Einwandfrei.
    Natürlich wimmelte es nur so von Polizei. Und National-gardisten. Und Journalisten. Unten Übertragungswagen und obenHubschrauber. Er musste genau den richtigen Zeitpunkt wählen. Wenn er nur vorsichtig und schnell genug war, würde ihn am Fenster niemand sehen. In der Wohnung war das Licht ausgeschaltet und die Gardinen–mit den Jahren von Sonnenlicht und Nikotin vergilbt–waren mit Klebeband an der Wand befestigt, damit sie nicht von einer launischen Brise zur Seite geweht wurden. Das hatte jemand anderes vorher für ihn erledigt.
    Gut einen Meter vom Fenster entfernt hatte er einen Tisch mit einem Sandsack darauf als Stütze aufgestellt. Auf diese Entfernung konnte er mit dem Zielfernrohr durch die Gardinen sehen, aber ihn konnte man von der Straße aus nicht sehen.
    Die Menge draußen wurde grölend lebendig. Es war an der Zeit. Der Mann nahm das Gewehr vom Bett, ließ das Magazin einrasten und lud eine Patrone in die Kammer.
Klick-klack
. Er trug das Gewehr zum Tisch und setzte es sicher auf dem Sandsack auf. Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und sah durchs Zielfernrohr.
    Sein Ziel war eingetroffen. Etwa ein Dutzend Polizisten machten den Weg zu der kleinen Bühne vor der Kathedrale frei, und der Betrüger folgte ihnen mit seiner aus dem Fernsehen bekannten blauen Bibel. Er trug einen glänzenden Seidenanzug, der zu den irisierenden Strähnen seines welligen Silberhaars passte. Seine Haut schimmerte in tiefem Sonnenstudiobraun. Der dunkle Teint stand im Kontrast zu seinem strahlend weißen Lächeln. Seine Zähne sahen aus wie ein Gebiss. Oder Implantate.
    Vollkommen. Und vollkommen falsch.
    Der Betrüger sprang auf die Bühne und winkte der jubelnden Horde mit beiden Händen zu. Er stellte sich ans Mikrofon und gebot der Menge zu schweigen. Die Jubelrufe verebbten.
    Die Polizisten wichen alle gleichzeitig zurück (
göttliche Vorsehung?
), sodass er eine freie Schusslinie hatte.
    Es liegt in Gottes Hand.
    Der Hirte hatte gesagt, er solle nicht vor halb zwei abdrücken. Er sah auf seine Uhr: 13:34 Uhr.
    Der Mann wischte sich noch einmal mit seinem Ärmel die Stirn, schaute durchs Zielfernrohr und richtete sorgsam das Fadenkreuz mitten auf die Brust.
    Er entsicherte die Waffe.
    Er legte den Finger auf den Abzug.
    »Im Stand der Gnade«, sagte er. Er holte tief Luft, hielt den Atem an und drückte ab.

TEIL 1
    1
    Lagos, Nigeria – vier Wochen zuvor
    Daniel Byrne bemerkte den Jungen mit der Waffe erst, als sie sich in der stillen Gasse hinter dem Obststand Auge in Auge gegenüberstanden, keine zwei Meter voneinander entfernt. Bis zu diesem Moment hatte Daniel den Tag eigentlich genossen.
    Nach zwei Wochen sein erster freier Tag. Seit er neun Wochen zuvor in Afrika angekommen war, hatte er nur ganze sieben Tage freigehabt. Der bisher schönste Tag seiner Reise, ohne irgendwelche Verpflichtungen oder Erwartungen. Wenigstens heute musste er seinem Ruf als Golden Boy der Abteilung einmal nicht gerecht werden. Den Morgen verbrachte er am Strand, sonnte sich, las einen Roman und schwamm im badewannenwarmen, salzig-weichen Wasser des Atlantiks. Zurück in der Luxussuite im Obergeschoss des Federal Palace Hotel duschte er, gönnte sich den Luxus, aufs Rasieren zu verzichten, und zog sich an: leichte Chinohose, schlichtes, schwarzes Seidenhemd von Tommy Bahama und Segelschuhe ohne Socken.
    Draußen auf dem Balkon, wo die salzige Luft sanft über sein Gesicht streifte, sah er hinaus auf den weißen Sandstrand und den glitzernden, blauen Ozean. Er lehnte sich vor, bis das Geländer direkt über dem Beckenknochen gegen seine Taille drückte. Dann lehnte er sich noch
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