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Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Titel: Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Autoren: Sean Chercover
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Wohlstandswachstumsstunde
. »Das ist eine Aufzeichnung von letzter Woche«, sagte Nick.
    Auf dem Bildschirm war Reverend Tim Trinity zu sehen, der wie eine große Raubkatze auf der Bühne hin- und herstolzierte, von rechts nach links, von links nach rechts, ab und zu anhielt, um in die Kamera zu schauen, aber nie ganz stillstand. Die Bühne war wie der Kanzelbereich einer Kirche hergerichtet, komplett mit falschen Buntglasfenstern (natürlich von hinten beleuchtet), Balsa-holzsäulen, so gestrichen, dass sie wie Mahagoni aussahen, und vorn in der Mitte der Bühne ein transparentes Plexiglaspult. Trinity trug einen königsblauen Seidenanzug, weißlederne Cowboystiefelund einen passenden Gürtel. An seinem linken Handgelenk sah man eine mächtige, goldene Rolex, deren Ziffernblatt vollkommen aus Diamanten bestand. Von seinem rechten Ohr aus bog sich die Halterung seines drahtlosen Mikrofons nach vorn, als wäre er der Telefonverkäufer Gottes. In seiner rechten Hand balancierte er eine offene Bibel mit Silberschnitt, der Umschlag aus feinem Leder im gleichen leuchtenden Blau wie sein Anzug.
    Daniel fragte sich, ob er den Anzug ausgesucht hatte, weil er zur Bibel passte, oder umgekehrt.
    Trinity redete mit breitem New Orleanser Akzent, und seine Sprüche, die er in über fünfundzwanzig Jahren bei Erweckungsgottesdiensten in Zelten und Kirchen und in den letzten vierzehn Jahren im Fernsehen perfektioniert hatte, flossen weich wie Cognac. Er beherrschte seinen Akt perfekt und musste gar nicht in die Bibel schauen. Die diente nur als Requisit und doch war sie unverzichtbar. Äußerst wirkungsvoll schwang er das blaue Buch, blätterte mit großer Geste die Seiten um, betonte wichtige Worte, indem er mit der linken Hand auf die Seiten
einschlug
, und jeder Schlag zog die Blicke auf die dicke Uhr an seinem Handgelenk.
    »Meine Freunde, ich habe sehr schlechte Nachrichten für euch«, sagte Trinity immer noch lächelnd. »Ich soll an diesem Tage eine unangenehme Wahrheit enthüllen. Und ich werde sie euch nicht versüßen.«
Paff!
»NEIN! Ich bin heute gekommen, euch zu verkünden, dass die meisten, die sich Christen nennen, das Wesen der
Sünnnde
ganz und gar
missverstehen
.« Das Wort Sünde zog er in die Länge.
    Trinity blieb an seinem Rednerpult stehen. Er schloss die Augen und drehte seinen Kopf nach rechts, sodass er der Kamera sein Profil bot, als die zu einer Nahaufnahme wechselte. Er hielt sich ein paar Sekunden lang die Bibel an die Stirn, nahm sie dann herunter, öffnete seine nun feuchten Augen und blinzelte rasch. Ein Mann Gottes, den Tränen nah.
    »Vergebt mir … Ich muss euch mitteilen, was gestern Abend geschah, als ich meine Predigt vorbereitete. Ich saß in meinem Arbeitszimmer, den Stift in der Hand, als mich der Teufel aufsuchte.Ja, der …«
Paff!
»… Teufel! Der Teufel kam gestern Abend zu mir und sagte: ›Reverend Tim, gib dein Vorhaben auf.‹ Er sagte: ›Die Menschen sind dafür noch nicht bereit. Du darfst es ihnen nicht offenbaren. Versenke es in deinem Herzen und schreibe nichts davon auf.‹ Oh ja, er erschien mir als Engel des Herrn … Aber ihr wisst genauso gut wie ich, dass der Herr einen Propheten niemals davon abhalten würde, die Wahrheit zu sprechen. Also sagte ich: ›Weiche zurück, Satan!‹ Und sein weißes Gewand fiel von ihm ab und er stand vor mir als nacktes Tier.« Trinity atmete langsam aus. »Hatte ich Angst? Mann, das kann man wohl sagen. Aber ich überwand meine Angst – und ich weiß, dass ich nicht selbst sprach, sondern die Macht Gottes; es war der Herr, der durch mich sprach – und ich stand von meinem Schreibtisch auf und schrie: ›Du Teufel, fahr direkt in die Hölle zurück! Komm nur einen Schritt näher und ich
schlage
dich nieder …‹« Trinity hieb mit seiner Bibel auf einen imaginären Teufel ein. »›… und ich
trete
dich in Grund und Boden …‹« Er stampfte fest auf die Bühne, »›… und ich verprügle dich wie einen räudigen Hund!‹«
    Daniel hatte seinem Onkel schon tausendmal bei seiner Nummer zugeschaut und gehofft, sie nie wieder sehen zu müssen. »Was soll das, Nick?«
    Nick schaute weiter gebannt auf den Bildschirm. »Warten Sie’s ab.«
    Trinity hielt sich die Bibel an die Brust. »Und dann – Ehre sei Gott in der Höhe – verschwand der Teufel ganz einfach und hinterließ den Gestank eines Bocks.« Er lächelte und wedelte mit der Heiligen Schrift den Gestank fort. Die Kamera schnitt zur Gemeinde, die brav
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