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Rueckkehr nach Connemara

Rueckkehr nach Connemara

Titel: Rueckkehr nach Connemara
Autoren: Sara Wood
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1. KAPITEL
    Schon seit drei Monaten fürchtete sich Kathleen vor dem Tag, an dem Lorcan sich melden würde.
    Sie konnte sich ihr Wiedersehen lebhaft vorstellen. Lorcan verachtete sie, und sie würde ihn nicht daran hindern können, ihr die Lebensgrundlage zu entziehen. Jetzt hat er sogar das Recht auf seiner Seite und kann mich ruinieren, wenn er will, überlegte sie.
    Kurz nach Harrys Tod hatte der Rechtsanwalt versucht, über Zeitungsanzeigen in Erfahrung zu bringen, wo Harrys Bruder Lorcan sich aufhielt. Seitdem wachte Kathleen jeden Morgen mit der Befürchtung auf, es könnte ihr letzter Tag auf Ballykisteen Manor, dem wunderschönen georgianischen Herrenhaus, sein. Wenn Lorcan sein Erbe antreten würde, hätten sie und ihr Sohn kein Zuhause mehr.
    "Willst du die Bohne noch länger in der Hand halten, Kathleen, Liebes?" unterbrach Declan ihre trüben Gedanken.
    "Dummkopf." Sie warf die Bohne in seine Richtung, rollte die Ärmel ihres Pullovers hoch und pflückte weiter. Die Bohnen kamen in eine Gemüsekiste mit der Aufschrift Ballykisteen Manor - Ökologischer Landbau.
    "Ich habe mich gefragt, was wir machen, wenn Lorcan sich wirklich meldet."
    "Ach, zerbrich dir darüber nicht deinen kleinen hässlichen Kopf", antwortete Declan. Ihr Umgangston war rau, aber herzlich, denn sie waren schon seit der Kindheit befreundet.
    "Auf die Anzeige hat sich niemand gemeldet. Er hat seine Chance gehabt und sie verpasst. Ende der Geschichte."
    "Vielleicht hast du Recht, aber ich glaube noch nicht daran."
    "Aber ich. Ballykisteen gehört dir."
    "Nur zur Hälfte", wandte sie mürrisch ein und scheuchte die Hühner von den Bohnen weg.
    "Ist das nicht verblüffend? Ich kann immer noch nicht verstehen, warum Harry es euch beiden gemeinsam hinterlassen hat. So verwirrt war er bestimmt nicht. Er hat doch Lorcan gehasst wie die Pest."
    Kathleen seufzte. Sie wollte sich nicht an das schlimme Jahr erinnern, das hinter ihr lag. "Der arme Harry. Ich vermute, er wollte sich an seinem Bruder rächen und ihn die Schulden bezahlen lassen."
    "Kann sein. Doch es sind auch deine Schulden. Immerhin warst du Harrys Frau."
    Sie zuckte insgeheim zusammen und schwieg. Niemand
    ahnte, dass sie und Harry nicht verheiratet gewesen waren. Sie hatte ihm versprochen, es niemals zu verraten. Und daran hatte sie sich gehalten, obwohl es ihr nicht behagte, andere zu täuschen.
    Wenn aber Lorcan eines Tages auftauchte und die Wahrheit herausfinden würde ...
    Darüber wollte sie lieber nicht nachdenken. Was soll aus meinem Kind und mir werden, wenn dieser kalte und gefühllose Mann hinter mein Geheimnis kommt? überlegte sie.
    Noch zwei Meilen, dann bin ich zu Hause, dachte Lorcan und schrie seine Freude laut hinaus. Seine Müdigkeit war auf einmal wie weggeblasen.
    Gut gelaunt fing er an, das irische Volkslied, das gerade aus dem Radio ertönte, mitzusingen. Seit den frühen Morgenstunden hielt die Musik ihn wach. Oder auch schon seit Mitternacht, wenn er nach seiner inneren Uhr ging. Rasch rechnete er nach.
    In Boston war es jetzt Frühstückszeit, dann musste es hier Zeit für den Lunch sein.
    Er biss in das Wurstsandwich, das er sich in Galway gekauft hatte, und sehnte sich nach einem typisch irischen Frühstück.
    Plötzlich schien sein Magen zu rebellieren.
    Das liegt bestimmt nicht an meinen Nerven, sagte er sich und massierte die schmerzende Stelle. Acht Jahre war er weg gewesen und nur zurückgekommen, weil Harry gestorben war.
    Pflichtschuldigst versuchte er, so etwas wie Trauer zu empfinden, was ihm jedoch nicht gelang. Warum sollte ich auch um Harry trauern? fragte er sich verbittert. Sein Bruder hatte mit seinen Lügen seinen, Lorcans, Ruf völlig ruiniert.
    Ärgerlich biss er wieder in das Sandwich. Die FitzGeralds hatten ihn und Harry adoptiert, Harry gleich nach seiner Geburt, ihn, Lorcan, elf Jahre später, als er neun gewesen war. Sie waren nicht miteinander verwandt und hatten sich von Anfang an nicht gemocht.
    Damals war er wenig umgänglich gewesen, wie er sich
    eingestand. Aber Harry, der kräftiger gewesen war als er, hätte auch nicht gleich beim ersten Treffen vorzuschlagen brauchen, Wikinger zu spielen. Sie hatten Spaten als Schwerter benutzt, und Harry hatte ihn mit einem kräftigen Hieb im Gesicht schwer verletzt.
    Lorcan befühlte die Narbe auf seiner Wange, die für viele Frauen eine willkommene Ausrede gewesen war, ihn
    anzusprechen. Frauen, überlegte er. Seine meergrünen Augen wurden so dunkel wie ein Malachit, als er an
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