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Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Die Trinity-Anomalie (German Edition)

Titel: Die Trinity-Anomalie (German Edition)
Autoren: Sean Chercover
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mulmig. Auf der Klappe prangte das rote Wachssiegel von Kardinal Allodi,dem direkten Vorgesetzten von Conrad und Pater Nick. Daniel hatte schon lange vermutet, dass Allodi der politischen Arbeit der Weltmission gegenüber den eher esoterischen Aufgaben seiner eigenen Abteilung den Vorzug gab.
    Daniel brach das Siegel und las den Brief.
    Pater Daniel,
    aufgrund von Auslastungsschwankungen zwischen den Abteilungen werden Sie hiermit vom Amt des Advocatus Diaboli zum Amt für Weltmission versetzt. Sie sind bis auf Weiteres Pater Conrad Winter unterstellt.
    Im Glauben dienen wir.
    »Kardinal Allodi hat mir von Ihrer Eskapade in Honduras erzählt«, sagte Conrad. »Also tun Sie bloß nicht so, als stünden Sie über diesen Dingen.«
    Daniel stieg das Blut in den Kopf. Er stellte sich vor, wie er mit der Rechten hart zuschlagen und Conrads Nase brechen würde, gefolgt von einem Haken in die Rippen und einem Uppercut … Aber es gelang ihm, seine Fantasie zu zügeln und Conrad wieder zuzuhören.
    »… Sie können nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert. Menschen mussten Ihretwegen
ihr Leben lassen
. Wir werden wohl nie genau erfahren, wie viele Sie selbst …«
    »Drei«, sagte Daniel. »Ich habe drei Menschen getötet. Das wussten Sie doch schon. Oder wollen Sie mir weismachen, Sie hätten die Fallakte nicht gelesen?«
    Conrads Mundpartie verhärtete sich leicht. »Seien Sie bloß vorsichtig, Daniel.«
    Daniel nickte – nicht als Entschuldigung, sondern als widerwilliges Eingeständnis seiner untergebenen Stellung.
    Conrad verfiel plötzlich in einen Plauderton. »Sie werden die Zeit bei der Weltmission genießen. Wir haben jede Menge Bleistifte, die angespitzt werden müssen. Genau die richtige Arbeit für Sie. Wir werden Ihnen Ihren sündigen Hochmut schon austreiben;und wenn ich entscheide, dass Sie zum Amt des Advocatus Diaboli zurückkehren können, werden Sie ein besserer Priester sein.« Er strahlte Daniel mit einem Lächeln an, das »Schachmatt« bedeuten sollte.

3
    Rom
    Daniel schwang sich auf dem Langzeitparkplatz des Flughafens Leonardo da Vinci auf seine Honda Shadow und fuhr über die Autostrada auf die Lichter Roms zu. Er beachtete die Straße kaum, denn er dachte an Nigeria zurück.
    Der unterwürfige Priester, der das Wunder in seiner Gemeinde für eine Beförderung mit Versetzung in die Großstadt ausnutzen wollte. Eltern und Großeltern stolzerfüllt, denn »unsere kleine Abassi wurde auserwählt, die Wundmale Christi zu tragen«. Und das junge Mädchen mit den riesigen, braunen Augen, der manischen Energie und der Handvoll Dachnägel unter der Matratze.
    Daniel wusste, dass sie sich die Verletzungen selbst beibrachte. Er hatte sie auf frischer Tat ertappt. Aber ein paar Tage lang stellte er sich dumm und stellte dem Mädchen und seiner Familie nur ganz harmlose Fragen, um sie in Sicherheit zu wiegen. Alle paar Stunden ließ die Familie das Mädchen unter einem Vorwand allein. Irgendjemand sagte: »Sie muss sich ausruhen. Es ist alles nicht so einfach für sie.« Dann nickten alle mitleidig, rangen ihre rauen Bauernhände und gingen in die Küche, um Tee aus angeschlagenen Porzellantassen zu trinken. Und wenn sie eine Stunde später dem Mädchen eine Tasse Tee brachten, traten sie bei jedemSchritt fest auf, klopften an und zögerten ein wenig zu lange, bevor sie eintraten.
    Sie schauten bewusst weg, und er gab sich alle Mühe, sie deswegen nicht zu hassen.
    Am dritten Tag, während einer der »Ruhepausen« des Mädchens, entschuldigte sich Daniel und stand vom Küchentisch auf, angeblich, um wie an den Tagen zuvor das Badezimmer aufzusuchen. Aber diesmal ging er direkt zum Zimmer des Mädchens und stieß die Tür auf.
    Sie saß lächelnd auf dem Bett und sang leise
Jesus Loves Me
, während sie sich einen Nagel durch die linke Handfläche trieb. Dann drehte sie den Nagel, um das Loch zu vergrößern, und Blut tropfte in ihren Schoß.
    Conrad hatte recht, dass viel auf dem Spiel stand. Der befremdliche islamische Fundamentalismus, den Boko Haram in Nigeria propagierte, war nicht nur rückschrittlich – er war gewalttätig, frauenverachtend und apokalyptisch. Der Name bedeutete »Westliche Erziehung ist Sünde«. Die Anhänger schworen, alle in ihrem Gebiet lebenden Christen umzubringen, und machten es auch wahr. Sie hatten bereits über tausend Menschen getötet und mehr als dreihundert Kirchen niedergebrannt. Während des letzten Weihnachtsfests hatten sie zweiundvierzig Katholiken
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